In dem Zeitalter der Reformation erfuhren die vielartigen Fröhlichkeiten der Stadtbewohner eine beträchtliche Steigerung; bei diesen Gelegenheiten äußerte sich die strotzende Lebensfreunde unserer Altvorderen häufig in einer unserer verfeinerten Zeit wohl kaum zusagenden derben Art, und der am Zechtisch und auf dem Tanzboden sich zeigende „Sauffteuffel“ und „Tanzteuffel“ wurde in einer Reihe von Schriften auf das eifrigste zu bekämpfen versucht.

Wohl waren hinreichend Trinkstuben für die verschiedenen Stände der Stadt vorhanden, aber Hochzeiten und größere Festlichkeiten reicher Bürger oder Ratsmitglieder wurden in Ermangelung eines anderen größeren Saales auf dem Tanzboden des Rathauses abgehalten.

Gegen die beim Tanzen sich zeigende Unsitte ging der Rat schon 1542 mit dem Verbot vor, „sich des unverschämten Umdrehens, Aufhebens, Herumschwenkens, vielfältigen Drückens, ungeziemlichen Laufens und Abstoßens, auch schändlicher Geberde und Geschreies zu enthalten“. Die gegen das Verbot handelnden jugendlichen Verbrecher sollten sogleich vom Tanz durch den zur Aufsicht anwesenden Stadtknecht ins Gefängnis gebracht und mit der für damalige Zeiten hohen Strafe von 3 Pfund Heller (ungefähr 3 Mark) belegt werden.

In welchen Räumen des alten Rathauses sich der Tanzboden befand, ist nicht festzustellen; in dem neuen Rathaus war im ersten Stock in dem nach der Ketschengasse zu  gelegene Teil der neue Tanzboden geschaffen, nebenbei wurde er bei Jahrmärkten den Tuchmachern zum Verkauf iherer Waren eingeräumt. Am 14. September 1580 erfolgte die Einweihung, als Kaspar Hörer Hochzeit hatte; nachdem der Bräutigam mit seiner Braut den ersten Reigen getanzt hatte, tanzten die Herren des Rats, jeder mit seinem Weibe, den Reigen weiter.

Die Tänze bestanden (s. G. Freytags Bilder aus der d. Vergangenheit) im 17. Jahrhundert aus Reihentänzen, wobei sich dem Tänzer Gelegenheit bot zu zeigen, wer sich dem löblichen Frauenzimmer der Gebühr nach rühmlich zu bezeigen wusste. Die Dame wurde vor der Aufführung mit einer kleinen Rede begrüßt; war sie verheiratet oder Braut, auch ihr Gespons.

Dann hatte der Tänzer so zu führen, dass ihre Finger leicht auf seinen lagen; im Reigen selbst sollte er nicht vorspringen, nicht die Tänzerin zu dummen Sprüngen nötigen, auch nicht der Dame mit seinen Sporen die Kleider voneinander reißen. Nach dem Tanz kam wieder eine kleine Rede und Antwort. Zuletzt durfte er sie nach Hause begleiten; dabei hatte er sich allerdings zu hüten, dass ihm nicht von Eifersüchtigen mit Prügeln aufgelauert wurde, was gebräuchlich war. In der Wohnung musste sich der Tänzer zuerst bei den Eltern entschuldigen, dass er durch das Geleit seine Ehrenbezeugung verspüren lasse, dann bei der Dame, welche er der gnädigsten Obacht des Allerhöchsten befahl.

Noch bei mancher Generation der Bürgerschaft Coburgs ist der Tanzboden des Rathauses Zeuge davon gewesen, wie ihre Ehrentage bei froher Musik, lustigem Spiel und Tanz gefeiert wurden; aber auch als dieser Tanzboden zu anderen Zwecken durch Umbauten verfügbar gemacht wurde, bot das Rathaus in dem im zweiten Stock gelegenen großen Saal der Bürgerschaft nicht Gelegenheit, sich dem Tanzvergnügen hinzugeben.

Der letzte Tanzgast des Rathauses war der Kunst- und Gewerbeverein, der wohl bis in die achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts beim Stiftungsfest einen Ball, und zwar unter Beteiligung aller Kreise der Bewohnerschaft Coburgs abhielt. Auch der sich gern im Kreise der Bürgerschaft bewegende leutselige Herzog Ernst II. nahm wiederholt an diesen Stiftungsfeiern auf dem Rathaus teil, in eigener Person mit der Polonäse den Ball eröffnend.

Von dem Tanzboden zeugt noch die zum großen Teil erhaltene schöne Holzdecke, sowie ein kleiner, kaum von jemand gekannter Rest in dem Warteraum im ersten Stock des Rathauses; es ist eine Nische, die früher auf erhöhtem Podium die Sitze trug und von der aus die Pfeifer, Bläser und Fiedler durch ihre fröhlichen Weisen zum flotten Tanz anfeuerten.