1919-1933: Die wirtschaftliche und soziale Lage Coburgs, Teil I

Coburg war in den 1920er Jahren eine wenig industrialisierte Stadt und auch das Coburger Land hatte kaum große Industriebetriebe vorzuweisen. Das Wirtschaftsleben in und um Coburg wurde von der Korbwarenindustrie, bei der zum größten Teil in Heimarbeit gearbeitet wurde, der Spielzeugindustrie und durch das Kunsthandwerk geprägt. Ein erheblicher Teil der Coburger verdienten jedoch ihren Lebensunterhalt als Beamte, da vor allem die Stadt Coburg das administrative Zentrum der Region auch nach dem Ende des Herzogtums Sachsen-Coburg geblieben war. Dementsprechend kann man das Coburg der 1920er Jahre als eine Mittelstandsstadt bezeichnen, in der ein großes Arbeiterproletariat fehlte.[1]

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs gelang es der Coburger Wirtschaft, sich sehr schnell von der Kriegs- wieder auf die Friedensproduktion umzustellen. Speziell die im Krieg durch die Produktion von Munitionskörben erwirtschafteten finanziellen Mittel erleichterten den Neustart der Wirtschaft, da genügend Geld für Kredite bereitstand. Vor allem die Spielwarenbranche konnte durch Exporte hohe Gewinne erzielen. Doch die steigenden Weltmarktpreise für die benötigten Rohstoffe machten diese immer öfter unerschwinglich, sodass die Produktion, nicht nur in der Spielwarenindustrie, immer öfter stillgelegt werden musste und Aufträge nicht erfüllt werden konnten. Hinzu kam ein latenter Mangel an Kohlen, der ebenfalls für Produktionsausfälle sorgte sowie im privaten Bereich zu Problemen führte. Durch diese Situation konnten Kontrakte mit ausländischen Abnehmern nicht erfüllt und dementsprechend auch keine dringend benötigten Devisen erwirtschaftet werden. Der deutsche Binnenmarkt versprach aufgrund von ständigen Preiserhöhungen bei einem ohnedies schon hohen kriegsbedingten Preisniveau keine Entlastung, vielmehr brachte dies die Lohn-Preis-Spirale zum Drehen, was 1923 in der Hyperinflation enden sollte.[2]

Was die Lebensmittelversorgung anging, war Coburg ebenfalls in einer bedrohlichen Situation. Im Coburger Land herrschten aufgrund von Lebensmittelknappheit – Grund hierfür waren schlechte Ernten in den Jahren 1919 und 1920 – mit die höchsten Lebensmittelpreise in Deutschland überhaupt. Wollte man deshalb einer völligen Verelendung weiter Volkskreise oder befürchteten Hungerrevolten entgegenwirken, musste man von staatlicher Seite die Grundnahrungsmittel verbilligen. Dies brachte den coburgischen Haushalt, der zudem durch die Erwerbslosenfürsorge und die Finanzierung von Notstandsarbeiten stark belastet war, kurz vor dem Anschluss an Bayern in eine bedenkliche Schieflage.[3]


[1] Asmalsky, Ludwig: Der Nationalsozialismus und die NSDAP in Coburg 1922-1933. Unveröffentlichte Zulassungsarbeit zur Prüfung für das Lehramt an den Gymnasien in Bayern an der Universität Würzburg. Würzburg 1969. S. 3; Keller, Gunther: Coburg und die Weimarer Republik. Der Staat von Weimar im Spiegel der Coburger Wahlen von 1918 bis 1933. Unveröffentlichte Zulassungsarbeit zur ersten Prüfung für das Lehramt an Volksschulen an der Universität Bayreuth. Bayreuth 1981. S. 7ff.

[2] „Nicht durch Krieg, Kauf oder Erbschaft“. Ausstellung des Staatsarchivs Coburg anläßlich der 75. Wiederkehr der Vereinigung Coburgs mit Bayern am 1. Juli 1920. Coburg, den 1. Juli – 1. September 1995. Hrsg. von der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns. München 1995. S. 143, 152.

[3] Ebenda, S. 143ff.; Hambrecht, Rainer: Zwischen Bayern und Thüringen – Coburg von 1900 bis 1945. In: Ein Herzogtum und viele Kronen. Coburg in Bayern und Europa. Aufsätze zur Landesausstellung 1997 des Hauses der Bayerischen Geschichte und der Kunstsammlung der Veste Coburg in Zusammenarbeit mit der Stiftung der Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha’schen Familie und der Stadt Coburg. Hrsg. von Michael Henker und Evamaria Brockhoff. Augsburg 1997. S. 186-196. Hier S. 191.

Teil II