1919-1933: Die wirtschaftliche und soziale Lage Coburgs, Teil II

Vor allem auf dem Gebiet der Versorgung mit Lebensmitteln setzten die Coburger große Hoffnungen auf den Anschluss an Bayern, da es hier in den Augen der Coburger keinen Mangel gab. Doch diese hohen Erwartungen sollten enttäuscht werden, denn nach dem Anschluss an Bayern, das ebenfalls unter einer Missernte litt, änderte sich kaum etwas an der Versorgunglage Coburgs.[1] Deshalb kam es am 8. und 9. Juli 1920 zu größeren Lebensmittelunruhen. Rund 1.500 Personen machten an diesen Tagen durch Demonstrationen ihrem Unmut über die schlechte Versorgung Luft.[2] Dabei ereigneten sich Übergriffe auf ein jüdisches Geschäft, Schlimmeres konnte aber von der Polizei verhindert werden.[3] Auch in den Jahren von 1921 bis 1923 gab es kaum Verbesserungen auf dem Sektor der Lebensmittelversorgung. Der Unmut über diese Zustände führte beispielsweise 1922 zu einer Flugblattkampagne zur Lostrennung Coburgs von Bayern.[4] Erst nach 1923, nachdem der Ruhrkampf eingestellt und die Hyperinflation erfolgreich bekämpft worden war, verbesserten sich auch die wirtschaftliche Lage und die Nahrungsmittelversorgung in Coburg. Auch die Verabschiedung des Dawesplanes 1924 half der deutschen Wirtschaft. Über diesen Plan flossen Milliardenbeträge in das Land. Dadurch war es zum Beispiel den Kommunen möglich, lange vernachlässigte Bauvorhaben durchzuführen. Dies führte zu einer Belebung der Konjunktur. Für Coburg bedeuteten die Jahre nach 1923 eine Entspannung im wirtschaftlichen Bereich. Die Arbeitslosenzahlen blieben auf einem niedrigen Niveau. Doch schon Ende 1925 kam es erneut zu einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage. Das Ausbleiben von Aufträgen aus dem Ausland und eine latente Kreditnot ließen im Reich, aber auch in Coburg die Arbeitslosenzahlen ansteigen. Von diesem Konjunktureinbruch war neben der Industrie auch der Einzelhandel betroffen. Hier mussten große Umsatzeinbußen hingenommen werden. Doch schon 1927 entspannte sich die Lage wieder. Das Jahr 1927 bildete sogar das beste wirtschaftliche Nachkriegsjahr in Coburg.[5]

Bereits 1928 spannte sich die wirtschaftliche Lage jedoch wieder an. Die sich abzeichnende Weltwirtschaftskrise kündigte sich an. Sie ließ im Coburger Raum die Arbeitslosenzahlen kräftig ansteigen und sorgte für Umsatzrückgänge bei den Einzelhändlern. In den Jahren 1929 und 1930 kam es aufgrund der wirtschaftlichen Krise in und um Coburg verstärkt zu Konkurs- und Vergleichsanträgen. Dieser Trend setzte sich auch 1931 und 1932 fort. Auch die Arbeitslosenzahlen stiegen bis 1932 immer weiter an.[6] Erst 1933 setzte aufgrund der wieder anziehenden Weltkonjunktur (und der beginnenden Aufrüstung) eine Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage ein.

Eine genauere Analyse der wirtschaftlichen Verhältnisse der Jahre 1929 bis 1945 ist leider nicht möglich, da die dazu benötigten Akten im Zweiten Weltkrieg vernichtet worden sind.[7]


[1] „Nicht durch Krieg, Kauf oder Erbschaft“. S. 191; Albrecht, Joachim: Die Avantgarde des „Dritten Reiches“. Die Coburger NSDAP während der Weimarer Republik 1922-1933. Frankfurt/Main 2005. (= Europäische Hochschulschriften. Reihe II. Geschichte und ihre Hilfswissenschaften. Band 1008). S. 64f.

[2] „Nicht durch Krieg, Kauf oder Erbschaft“. S. 191, 193.

[3] Ebenda, S. 193.

[4] Erdmann, Jürgen: Coburg, Bayern und das Reich 1918-1923. Coburg 1969. (= Coburger Heimatkunde und Landgeschichte. Reihe II. Heft 22). S. 119ff.; Albrecht, Joachim: Die Avantgarde des „Dritten Reiches“. S. 64f.

[5] Mahnke, Fritz: 75 Jahre Industrie- und Handelskammer zu Coburg. Coburg o. J. S. 73, 75f. Keller: Coburg und die Weimarer Republik. S. 103f.

[6] Ebenda, S. 117, 130.

[7] Mahnke, Fritz: 75 Jahre Industrie- und Handelskammer zu Coburg. Coburg o. J. S. 75f.
Richard Dlouhy: Die Wirtschaft des Coburger Landes zwischen den Weltkriegen. In: Jörg Falkenberg u. Richard Dlouhy (Hrsg.): Die Wirtschaft im Coburger Grenzland. Kulmbach 1982, S. 105-114.

Teil I