Ein schwerer Unfall, der leicht unabsehbare Folgen hätte nach sich ziehen können, ereignete sich heute früh in der Steingasse. Die Pferde eines Wagens der Kohlehandlung Hermann Dehrl (Joh. Knauf. Nachf.) gingen in der Nähe des Marstalls durch und rasten die Steingasse herunter. Am Schlosse wollten Sie in die Rückerstraße einbiegen, wurden aber durch den Druck des nachfolgenden Wagens gegen den Morizbrunnen getrieben und sprangen in das Bassin. Eins der Pferde, das durch die Deichsel in das über 2 Meter hohe Wasser gedrückt wurde, konnte nur dadurch gerettet werden, dass man schleunigst die Deichsel durchsägte. Dann kommt aber das Unglaubliche. Um die Pferde zu retten, zerstörte man den Brunnen, ein altes sehenswertes Schmuckstück aus dem Jahre 1680, und beging damit ein nicht wieder gut zu machendes Verbrechen gegen eine Coburger Sehenswürdigkeit. Angeblich auf Anordnung des Bürgermeisters wurde ein Seitenteil der Brunnenumrandung durch Maurer herausgehauen. Was durch Winden und Bohlen leicht zu erreichen gewesen war, musste durch die Verschandelung eines alten Coburger Baudenkmals, das unersetzbar ist, in etwas unverständlicherer Weise vollbracht werden. Das ist ein unverzeihlicher Vandalismus, der jedem Kunstfreund das Blut der Empörung in die Wangen treiben muss. Wenn die hier maßgebenden Instanzen nicht den Schatten eines Verständnisses für die Folgenschwere ihrer Entschließungen haben, dann sollen sie sich bei Zeiten darüber klar werden und sachverständige Berater hinzuziehen, ehe Sie Verfügungen treffen, deren Folgen einfach nicht zu kurieren sind.

Über den Unfall selbst sei weiter mitgeteilt: Der Wagen hatte vorschriftsmäßig gebremst, die Pferde scheuten plötzlich und rannten in scharfem Galopp die Steingasse herunter und sprangen in das Brunnenbassin. Erleichtert wurde dies dadurch, dass an der Brunnenseite gegenüber dem Schloss sich einige Stufen befinden, wodurch die Brüstung der Brunnenumrahmung gewissermaßen erniedrigt wird. Auf den Stufen spielten einige Kinder, die wie durch ein Wunder gerettet wurden. Ein Radfahrer, der auf der Rückertstraße in die Steingasse einbog, konnte sich durch schnelles Abspringen retten. Ebenso konnten sich einige Passanten noch im letzten Augenblick durch schnelle Flucht retten. Zur Rettung der Pferde war auch die Feuerwehr aufgeboten worden, die das Wasser aus dem Bassin auspumpte.

Coburger Zeitung vom 21. Juli 1911