Zeitgeschichte für den kleinen Mann – Das Ehepaar Niermann und das Hobby des Ansichtskartensammelns

Beim Betreten der Wohnung des Ehepaars Niermann im Coburger Süden wird klar, die Räume „atmen“ Geschichte. Coburger Geschichte. Vom Flur bis zum Wohnzimmer gleicht die Wohnung einem üppig ausgestatteten Heimat-Museum. Historische Zeichnungen, Gemälde, Urkunden hängen an den Wänden.

Mehr als 4000 Ansichtskarten aus Coburg

Vitrinen zeigen Münzen, Abzeichen und viele weitere Artefakte aus verschiedenen Epochen Coburger Historie.
Norbert (68) und Brigitte (63) Niermann sammeln alles was mit „ihrem“ Coburg zu tun hat, vor allem aber Ansichtskarten. Nicht „schnöde“ Postkarten, sondern „Ansichtskarten“ – mit Bilddruck.
Weit über 4.000 – alle aus Coburg! – besitzt das Ehepaar. Fein säuberlich sortiert und oftmals mit Informationen zu ihrem historischen Kontext versehen, bewahrt Norbert Niermann sie in unzähligen Ordnern auf. Zu nahezu jeder Postkarte kann er eine Geschichte erzählen. Einerseits zu ihrem Inhalt, andererseits dazu, wie sie in seinen Besitz gekommen ist.

Seit 1983 begeisterter Sammler

Angefangen hat alles 1983, als Norbert Niermann in der Judengasse eine besondere Ansichtskarte – bis heute vielleicht die wertvollste in seiner Sammlung – buchstäblich vor die Füße fällt. Sie zeigt eine Vorkriegsansicht Coburgs mit einer darüber kreisenden Friedenstaube. Die älteste Ansichtskarte in Niermanns Sammlung ist von 1896 und zeigt eine Gesamtansicht von Coburg. Aus dieser Zeit stammen die schönsten, kunstfertigsten Karten, weiß Niermann zu berichten: „Um 1900 wurde sehr viel Aufwand an Drucktechnik und Handarbeit in jede einzelne Karte gelegt.“
„Ortsansichten waren eines der frühesten und wohl auch häufigste Sujet der Ansichtskarte. Schlösser, Burgen, Kirchen und Denkmäler gehörten zu diesen fast zu Tode fotografierten und lithographierten Sehenswürdigkeiten.“ Und davon gibt es in Coburg ja – weiß Gott – genug. Die wohl am häufigsten abgebildete Sehenswürdigkeit auf Coburger Ansichtskarten ist – man wird es schon vermuten – natürlich die Coburger Veste. Etwa 500 verschiedene Darstellungen davon, schätzt Niermann, befinden sich in seiner Sammlung. Auf Platz 2 und 3 folgen, so Niermann, vermutlich Ehrenburg und Morizkirche.
„Zeitgeschichte für den kleinen Mann“ nennt er das Ansichtskartensammeln. Oftmals lerne man beim Betrachten etwas zur Geschichte. Es beginnt mit der Frage, was wohl auf der Ansichtskarte zu sehen ist. Auf schwierig einzuordnenden Exemplaren sucht Niermann mit der Lupe nach irgendetwas, was ihm beim Identifizieren hilft, wie beispielweise der Name einer (möglicherweise längst nicht mehr existierenden) Firma. Die ließe sich ja vielleicht noch in einem alten Adressbuch – selbstverständlich auch in Niermanns Sammlung – finden…

Lieblingsstück – eine Weihnachtskarte von 1915

Natürlich gibt es unter den vielen Karten auch echte Liebhaberstücke. Dazu zählt für Brigitte Niermann eine Weihnachtskarte aus der Zeit des Ersten Weltkrieges (1915) mit einer ganz besonderen Bitte eines Kindes an den Weihnachtsmann: „…möchte ich Dich bitten, den Krieg bald beenden zu lassen…“ Ein weiteres ganz besonderes Exemplar in Norbert Niermanns Sammlung zeigt die Coburger Ehrenburg in Abendstimmung. Dabei sind die Fenster ausgeschnitten. Wird die Karte vom Betrachter gegen das Licht gehalten, erleuchtet die Ehrenburg stimmungsvoll.

Oft ist die Sammlung für Journalisten, Historiker oder andere Geschichtsbegeisterte die letzte Rettung bei Recherchen. Niermann kann dann häufig mit einem besonderen Fundstück aushelfen. Aber auch ohne diese Recherchearbeiten blättert Niermann regelmäßig durch seine Sammlung. Etwa zwei bis drei Mal im Jahr stellt das Ehepaar ausgewählte Ansichtskarten für eine Ausstellung zusammen. 25 bis 30 Ausstellungen sind so in den vergangenen Jahren in Coburg und Rödental zusammengekommen.
Brigitte Niermann unterstützt die Sammelleidenschaft ihres Mannes tatkräftig. In diesem Tagen ist es vor allem sie, die bei Haushaltsauflösungen und anderen „Gelegenheiten“ die Augen aufhält und das ein oder andere historisch-bedeutsame Sammelobjekt mit nach Hause bringt. Darüber hinaus interessiert sich Brigitte Niermann für ein ganz besonderes Gebiet der Ansichtskarten. Sie sammelt 3D-Motivkarten – mit dreidimensionalen Motiven – und Wackelbilder. Dabei hat auch sie es bereits zu einer beachtlichen Sammlung gebracht.