Die Novemberrevolution von 1918 in Coburg, Teil III

Am 12. November 1918 wurde der lange angekündigte Arbeiterrat gebildet.[1] Damit existierten in Coburg nun ein Arbeiterrat sowie ein Soldatenrat. Die beiden Gremien teilten ihre Aufgabenbereiche. Der Arbeiterrat war für alle politischen und behördlichen Angelegenheiten und der Soldatenrat für alles Militärische zuständig.[2]

Die große Veränderung brachte der 14. November 1918. Auf der letzten Sitzung des Gemeinschaftlichen Landtags von Coburg und Gotha in Gotha verlas Staatsminister von Bassewitz folgende Erklärung des Herzogs: „… Unterdessen ist Deutschland eine auf sozialistischer Grundlage beruhende Republik geworden, in deren Rahmen kein Raum für das Fortbestehen von Einzelmonarchien ist. Damit hat der Herzog aufgehört, in den Herzogtümern Coburg und Gotha zu regieren. …“[3] Diese Verlautbarung wurde als Abdankung angesehen, obwohl sie nur eine bloße Lagebeschreibung darstellte und keine herzogliche Willenserklärung. Damit hatte am 14. November das Herzogtum zu existieren aufgehört, genauso wie der coburg-gothaische Staatenverband, da die bindende Klammer für die Personalunion Coburg und Gotha, die Person und Institution des Herzogs, weggefallen war.[4]

Nach Paragraf 160 des Staatsgrundgesetzes für Sachsen-Coburg und Gotha von 1852 hätten nun die verfassungsmäßigen Rechte des Herzogs auf den Gemeinschaftlichen Landtag übergehen müssen; so forderten es auch die Coburger Abgeordneten. Dagegen wandte sich jedoch die Gothaer USPD-Fraktion, die die gesamte politische Gewalt in die Hände eines Arbeiter- und Soldatenrates legen wollte. Um eine Fortdauer der Sitzungen des Gemeinschaftlichen Landtags zu verhindern, drohte man von Gothaer Seite mit Waffengewalt. Damit war auch der Landtag als zweite Verbindung zwischen Coburg und Gotha neben dem Herzog ausgeschaltet. Die beiden Landesteile verband nun verfassungsmäßig nichts mehr.[5]

An dieser Stelle sei ein etwas genauerer Blick auf den Aufbau und die Funktion des Arbeiter- sowie des Soldatenrates geworfen. Der Vorsitzende des zehnköpfigen Arbeiterrates war Johann Stegner, der des fünfzehnköpfigen Soldatenrates Reinhold Artmann. Beide Räte bildeten zusammen den Arbeiter- und Soldatenrat. Wie schon erwähnt, waren dem Soldatenrat die militärischen, dem Arbeiterrat die politischen und behördlichen Kompetenzen zugeteilt. Endgültige Beschlüsse konnten jedoch nur auf gemeinsamen Sitzungen gefasst werden. Aus dem Arbeiter- und Soldatenrat wurde wiederum der aus drei Personen bestehende „Vollzugsausschuss“ des Coburger Arbeiter- und Soldatenrates gebildet. Dieser vertrat den Arbeiter- und Soldatenrat juristisch und bildete bald zusammen mit dem weiterbestehenden Staatsministerium die eigentliche Regierung.[6]

Mit seiner Tätigkeit zielte der Arbeiter- und Soldatenrat darauf, die erregten politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu beruhigen, nicht aber auf sie revolutionär einzuwirken bzw. die Verhältnisse weiter anzuheizen.[7] Um Ruhe und Ordnung im Coburger Land wahren zu können, waren die Revolutionäre auf die Zusammenarbeit mit der ehemals herzoglichen Verwaltung angewiesen. Aus diesem Grund nahm der Arbeiter- und Soldatenrat auch keine Eingriffe oder Veränderungen in der staatlichen und städtischen Verwaltung vor. Erst am 18. November 1918 wurden die Kompetenzen zwischen dem Rat und dem Staatsministerium Coburg abgegrenzt. Zwar sicherte sich der Arbeiter- und Soldatenrat die Oberaufsicht über die Regierung, gleichzeitig wurde aber festgeschrieben, dass beide Institutionen gemeinschaftlich zusammenarbeiten sollten. Damit war ein Fortbestehen der herzoglichen Verwaltung festgehalten worden.[8] Somit hatte es in Coburg keinen totalen Umsturz gegeben. Alle herzoglichen Verwaltungseinrichtungen und das Staatsministerium unter Leitung von Quarck konnten in ihren traditionellen Strukturen weiterarbeiten. Damit bestand für die alten Eliten die Aussicht, die Revolutionsorgane bald wieder ausschalten oder zumindest doch zu neutralisieren zu können. Der Arbeiter- und Soldatenrat verkam zu einem bloßen Bindeglied zwischen der Bevölkerung und der Verwaltung.[9] Deutlich wurde dieser Machtverlust in der Bekanntmachung über die Fortführung der Regierungsgeschäfte in Sachsen-Coburg vom 21. November 1918. Dort hieß es, dass „in den coburgischen Angelegenheiten … die Obliegenheiten der Regierung bis auf Weiteres vom Staatsministerium im Einvernehmen mit dem Arbeiter- und Soldatenrat in Coburg fortgeführt“ werden sollten. Zwar trat der Arbeiter- und Soldatenrat im Gesetzgebungsverfahren an die Stelle der bisherigen Verfassungsorgane (Herzog und Landtag)[10], jedoch kam dies einer Selbstentmachtung gleich[11], denn im Grunde wurden dadurch die Räte an das Ministerium gebunden, denn sie konnten dem Ministerium nicht diktieren, sondern mussten „im Einvernehmen“ mit ihm handeln.[12]

Zusammenfassend lässt sich feststellen: In Coburg fand keine wirkliche Revolution statt. Der Anstoß zur Bildung eines Soldatenrates kam zudem von außen. Erst durch den Befehl des stellvertretenden Generalkommandos in Kassel schwappte die revolutionäre Welle, die das Deutsche Reich schon Tage zuvor erfasst hatte, auch nach Coburg. Von einer wirklichen Revolution kann man nicht sprechen, da die alten Eliten in Amt und Würden blieben. Dass es zu keiner wirklichen Revolution kam, ist wohl am ehesten damit zu begründen, dass es in Coburg kein Industrieproletariat gab. Einzig der Herzog musste seine Regierungsgewalt abgeben. Dadurch und durch die Verweigerung von Gothaer Seite, den Gemeinschaftlichen Landtag weiter bestehen zu lassen, brachen so gut wie alle Bindungen zwischen Coburg und Gotha ab.[13] Für Coburg bedeutete dies, dass man vor vier große Aufgaben gestellt wurde: 1. Schaffung einer Verfassungsordnung, 2. Lösung der restlichen administrativen Bindungen an Gotha, 3. Abfindung des Herzogs und 4. Anschluss des Freistaats Coburg an ein lebensfähiges Staatswesen.[14]

1] „Nicht durch Krieg, Kauf oder Erbschaft“. S. 74.

[2] Ebenda, S. 78; Keller, Gunther: Coburg und die Weimarer Republik. Der Staat von Weimar im Spiegel der Coburger Wahlen von 1918 bis 1933. Unveröffentlichte Zulassungsarbeit zur ersten Prüfung für das Lehramt an Volksschulen an der Universität Bayreuth. Bayreuth 1981. S. 16; Coburger Volkszeitung v. 12. November 1918.

[3] Zitiert nach „Nicht durch Krieg, Kauf oder Erbschaft“. S. 74 und Erdmann: Coburg, Bayern und das Reich 1918-1923. S. 9f.

[4] Albrecht: Die Avantgarde des „Dritten Reiches“. S. 61.

[5] „Nicht durch Krieg, Kauf oder Erbschaft“. S. 74f.

[6] Erdmann: Coburg, Bayern und das Reich 1918-1923. S. 10; „Nicht durch Krieg, Kauf oder Erbschaft“. S. 78.

[7] Erdmann: Coburg, Bayern und das Reich 1918-1923. S. 11.

[8] Ebenda, S. 11; Hambrecht, Rainer: Die Vereinigung des Freistaates Coburg mit Bayern. S. 378.

[9] Erdmann: Coburg, Bayern und das Reich 1918-1923. S. 11.

[10] „Nicht durch Krieg, Kauf oder Erbschaft“. S. 102.

[11] Ebenda, S. 104.

[12] Albrecht: Die Avantgarde des „Dritten Reiches“. S. 62; Hambrecht,: Zwischen Bayern und Thüringen – Coburg von 1900 bis 1945. S. 189; Erdmann: Coburg, Bayern und das Reich 1918-1923. S. 11; „Nicht durch Krieg, Kauf oder Erbschaft“. S. 78, 102.

[13] Erdmann: Coburg, Bayern und das Reich 1918-1923. S. 13;Albrecht: Die Avantgarde des „Dritten Reiches“. S. 60; „Nicht durch Krieg, Kauf oder Erbschaft“. S. 72.

[14] Hambrecht, Rainer: Freistaat Coburg, 1918-1920. In: Historisches Lexikon Bayerns. Online unter: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44876. (Stand: 06. Januar 2010);Erdmann: Coburg, Bayern und das Reich 1918-1923. S. 14; Nöth, Stefan: Coburger Landesstiftung. In: Historisches Lexikon Bayerns. Online unter: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44375. (Stand: 06. Januar 2010).