März/April 1933: Die judenfeindlichen Auswüchse kurz nach der Machtergreifung

Nachdem Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler berufen worden war und die Nationalsozialisten damit die Macht in Deutschland übernommen hatten, begann für die Juden eine schreckliche Zeit.

In Coburg traten die ersten Anzeichen schon in der Nacht vom 30. auf den 31. Januar auf. So wurde das Anwesen des jüdischen Arztes Dr. Gutmann – sowohl der Garten des Hauses als auch dieses selbst mitsamt der ganzen Inneneinrichtung – vollkommen verwüstet.[1]

Am 15. März wurden den jüdischen Geschäftsinhabern vom Coburger Stadtrat nahegelegt, ihre Geschäfte sofort zu schließen, da die Polizei bei der augenblicklichen Erregung der Bevölkerung nicht in der Lage sei, deren Leben und Eigentum zu schützen. Juden, die ihre Geschäfte nicht freiwillig schlossen, wurden als Provokateure angesehen. Ihnen sollte deshalb kein polizeilicher Schutz zukommen. Sollten sie verletzt werden, sei dies, so der Stadtrat, ihre eigene Schuld.[2]

Für den 1. April wurde in Coburg wie im gesamten Reich unter der Führung Julius Streichers zu einer Boykottaktion gegen jüdische Geschäfte aufgerufen. An diesem Samstag wurden ab dem frühen Morgen alle Eingänge zu jüdischen Geschäften durch SA-Männer besetzt und Plakate sowie Schrifttafeln mit antisemitischen Aufschriften angebracht. Nachdem führende Nationalsozialisten Hassreden gegen die Juden vom Balkon des Rathauses gehalten hatten, fand am Nachmittag ein Demonstrationszug statt. Hinter einem Trommlerkorps wurden von SA-Leuten Plakate durch die Straßen Coburgs getragen, auf denen vor dem Einkauf in jüdischen Geschäften gewarnt wurde.[3]

Auch nach dem Boykotttag versuchten die Nationalsozialisten den jüdischen Geschäftsinhabern das Leben schwer zu machen. So lief jeder, der nach dem 1. April bei einem Juden einkaufte, Gefahr, denunziert zu werden und auf einer öffentlichen Prangerliste zu erscheinen. Diese Maßnahme sollte Nicht-Juden von einem Einkauf bei Juden abhalten. Damit die Nicht-Juden auch genau sehen konnten, wo sie nach Ansicht der Nationalsozialisten einkaufen sollten und wo nicht, stellten immer mehr nicht-jüdische Geschäftsleute Schilder mit der Aufschrift „Deutsches Geschäft“ in ihre Schaufenster. Wie aber schon die Boykottaktion am 1. April hielt auch die Drohung einer Denunziation nicht alle Coburger davon ab, bei Juden einzukaufen. Vielmehr mussten die Geschäfte, die das Schild „Deutsches Geschäft“ führten, angeblich einen Kundenschwund beklagen.[4]


[1] Fromm, Hubert: Die Coburger Juden. Geschichte und Schicksal. Coburg 2001. S. 56. Siehe auch Coburger Volksblatt v. 1. Februar 1931.

[2] Nach Fromm: Die Coburger Juden. S. 58f.

[3] Ebenda, S. 68, 70f.

[4] Ebenda, S. 74.