1945: Das Ende des Zweiten Weltkriegs in Coburg, Teil I

Die Darstellung vom Ende des Zweiten Weltkriegs in Coburg muss in der Nacht vom 2. auf den 3. April 1945 beginnen. Damals erhielt Hauptmann Karl Sotte, seit Oktober 1943 Kommandeur des Ersatz- und Ausbildungs-Bataillons Panzer-Grenadier-Regiment 12, seine Ernennung zum Kampfkommandanten von Coburg. Sein Auftrag lautete: Coburg ist bis zum letzten Mann zu verteidigen.[1]

Coburg kam in den Plänen der Militärs eine wichtige Rolle zu. Die Stadt sollte ein „Eckpfeiler der Mainfront“ werden. Dies bedeutete, dass um die Stadt die Feindkräfte solange gebunden bzw. aufgehalten werden müssten, bis die Wehrmacht in der Lage war, weiter im Osten eine geschlossene Abwehrfront aufzubauen.[2]

Am 4. April 1945 wurde der neue Kampfkommandant Sotte auf Schloss Callenberg bei Coburg befohlen. Dort hatte sich der Stab der 7. Armee eingerichtet. Hier erhielt Sotte Kenntnis darüber, dass Coburg zur Festung erklärt und er zum Festungskommandanten ernannt wurde. Dafür standen ihm aber nur rund 1.500 Mann ohne schwere Waffen zur Verfügung. Sowohl Sotte als auch der Mehrheit der Wehrmachtssoldaten war klar, dass man aufgrund der geringen Mannschaftsstärke und der schlechten Bewaffnung Coburg kaum halten, geschweige denn die anrückenden US-Streitkräfte aufhalten könne. Da aber auch die Coburger Stadtverwaltung wollte, dass Coburg unter allen Umständen gehalten werde und Kampf- bzw. Festungskommandant Sotte wegen fanatischer Nationalsozialisten in seinem Umfeld nicht frei entscheiden konnte, brachte er seine Soldaten in Stellung.[3]

Der 8. April 1945 brachte dann einen der schwersten amerikanischen Bombenangriffe auf die Stadt. Da die deutsche Luftwaffe nicht mehr vorhanden war, hatte die US-Airforce völlige Lufthoheit. Diese nutzte sie, um Angriffe auf die Stadt zu fliegen. Dabei brachen 18 Brände in der Stadt aus, der die örtliche Feuerwehr kaum Herr wurde. Neben den Einschlägen und Explosionen der Bomben kam es an diesem Tag auch immer wieder zum Artilleriebeschuss von Coburg und der Veste. Diese Maßnahme sollte der Demoralisierung der Bevölkerung dienen.[4]

Gegen 18 Uhr am 8. April rief die nationalsozialistische Führung Coburgs aufgrund der militärischen Lage die Firmenchefs der größeren Betriebe Coburgs und der Umgebung zu sich. Die Unternehmer sollten dazu gebracht werden, ihre Anlagen und Maschinen zu zerstören. Nichts außer „verbrannter Erde“ wäre den US-Amerikanern in die Hände gefallen. Doch die Coburger Unternehmer ignorierten die Anweisung.[5]

Am 10. April 1945 heulten die Coburger Sirenen erneut. Doch diesmal warnten sie vor keinem erneuten Luftangriff, sondern vor anrückenden US-Streitkräften. Da Sotte erkannte, dass Widerstand aufgrund der Stärke der Amerikaner sinnlos war und nur zu unnötigem Blutvergießen führen würde, zog er seine am 4. April 1945 in Stellung gebrachten Truppen wieder zurück. Sotte hätte auch gerne die Veste Coburg, wo sich sein Hauptquartier befand, geräumt, doch da in seiner Umgebung noch immer zu viele fanatische Nationalsozialisten waren, die nicht davor zurückgeschreckt wären, ihn bei einem Rückzugsbefehl wegen angeblicher „Feigheit vor dem Feind“ zu erschießen, war daran nicht zu denken.[6]

Ab 14 Uhr des 10. April nahmen die Amerikaner Coburg unter heftigen Artilleriebeschuss. Zahlreiche Häuser gerieten in Brand. Auch die Veste wurde getroffen. Der Kongressbau und der Herzoginbau standen in Flammen. Wie auch die meisten Gebäude in der Stadt mussten sie ihrem Schicksal überlassen werden, da die Feuerwehr aufgrund der überall in der Stadt aufgestellten Panzersperren nicht an die Brandherde herankam.[7]

Gegen 17 Uhr geschah dann etwas Unerwartetes. Auf der Veste wurde eine weiße Fahne, das Zeichen der Kapitulation, gehisst. Wer diese Fahne aufgezogen hat, ist nicht mehr einwandfrei zu klären. Sowohl Sotte als auch Herzogin Viktoria Adelheid sowie eine Frau, die als Flüchtling auf die Veste gekommen war, wollten Urheber der Hissung gewesen sein. Die Fahne prangte aber nicht lange dort oben, denn nachdem sie ein SS-Mann erblickt hatte, schoss er sie mit seiner Maschinenpistole vom Dach.[8]


[1] Nahr, Wolf-Dietrich: Coburg 1945. Die Befreiung. Der Zeitungskrieg. Der Neubeginn. Erlangen 1995. S. 21;Schneier, Walter: Coburg im Spiegel der Geschichte. Von der Urzeit bis in die Gegenwart. Auf den Spuren von Fürsten, Bürgern und Bauern. Coburg 1986. S. 308.

[2] Nahr: Coburg 1945. S. 21;Schneier: Coburg im Spiegel der Geschichte. S. 308.

[3] Nahr: Coburg 1945. S. 22f.;Schneier: Coburg im Spiegel der Geschichte. S. 308.

[4] Nahr: Coburg 1945. S. 24ff.; Finzel, Frank / Reinhart, Michael: Spuren: 175 Jahre Sparkasse Coburg. Hauptwege, Nebenwege, Irrwege. Stuttgart 1996. S. 388; Schneier: Coburg im Spiegel der Geschichte.S. 309f., 314; Sandner, Harald: Coburg im 20. Jahrhundert. Die Chronik über die Stadt und das Haus Sachsen-Coburg und Gotha vom 1. Januar 1900 bis zum 31. Dezember 1999 S. 184f.

[5] Nahr: Coburg 1945. S. 28.

[6] Ebenda, 28ff.;Schneier: Coburg im Spiegel der Geschichte. S. 311;Finzel / Reinhart: Spuren: 175 Jahre Sparkasse Coburg. S. 386.

[7] Nahr: Coburg 1945. S. 30f.

[8] Ebenda, S. 31ff.;Finzel / Reinhart: Spuren: 175 Jahre Sparkasse Coburg. S. 389.

Teil II