Juni 1926: Die Coburger NSDAP gibt die Zeitung Der Weckruf heraus

Da die NSDAP im Coburger Stadtrat nur mit drei Mitgliedern vertreten war, stand sie vor dem Problem, dass sie nummerisch zu schwach war, um sich im Stadtrat und damit in der Öffentlichkeit auffallend Gehör zu verschaffen. Deshalb benötigte sie eine andere außerparlamentarische Möglichkeit, um auf sich aufmerksam zu machen. Hier bot sich die Herausgabe einer eigenen Zeitung an. So gründete die Coburger NSDAP im Juni 1926 das „Nachrichtenblatt der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei für den Bezirk Coburg und angrenzende Gebiete“. Ab der zweiten Ausgabe hieß die Zeitung nur noch kurz „Der Weckruf“. Zu Beginn erschien die Zeitung noch unregelmäßig, ab 1927 dann einmal wöchentlich und ab Oktober 1930 unter dem Namen „Coburger National-Zeitung“ täglich. Sie war damit die erste lokale nationalsozialistische Tageszeitung in Deutschland.[1]

Die Taktik, die die Nationalsozialisten mit dem „Weckruf“ verfolgten, bestand darin, dass sie durch künstlich provozierte Skandale versuchten, Aufmerksamkeit zu erregen und das demokratische System zu diskreditieren. Mit dieser Strategie gelang es der NSDAP in Coburg kontinuierlich, politische Unruhe zu erzeugen.[2]

Daneben waren Juden ein Hauptangriffsziel des „Weckrufs“. Durch Klatsch- und Revolvergeschichten der übelsten Art im Stil des von Julius Streicher herausgegebenen „Stürmer“ in Nürnberg versuchten die Nationalsozialisten die Coburger Juden als „Verführer“ und „sexuelle Unholde“, als „Wucherer“, „Preistreiber“ und „hinterlistige Betrüger“ darzustellen.[3]

Zur Strategie des „Weckrufs“ führte NSDAP-Chef Franz Schwede in seinem Buch „Kampf um Coburg“ aus: In den Weckruf „muß etwas hinein, das wirklich ‚einschlägt’! Kommunalpolitik ist eine allzu ernste und nüchterne Sache auf die Dauer – die ‚Sensationen’, um derentwillen die breite Masse gierig nach einer Zeitung greift, liegen auf einem anderen Gebiet.“[4]


[1] Albrecht, Joachim: Die Avantgarde des „Dritten Reiches“. Die Coburger NSDAP während der Weimarer Republik 1922-1933. Frankfurt/Main 2005. (= Europäische Hochschulschriften. Reihe II. Geschichte und ihre Hilfswissenschaften. Band 1008). S. 97; Popp, Steffen: Coburgs Weg in den Nationalsozialismus 1919-1931: Die Etablierung des völkischen Antisemitismus und der Aufstieg der NSDAP. Offenbach am Main o. J. (Online unter: https://www.complifiction.net/wp-content/uploads/2012/03/Coburgs-Weg-ins-Dritte-Reich.pdf. Stand: 06. Januar 2010). S. 31;Fromm, Hubert: Die Coburger Juden. Geschichte und Schicksal. Coburg 2001. S. 38; „Voraus zur Unzeit“. Coburg und der Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland. Katalog zur Ausstellung der Initiative Stadtmuseum Coburg e. V. und des Stadtarchivs Coburg im Staatsarchiv Coburg. 16. Mai bis 8. August 2004. Coburg 2004. (= Coburger Stadtgeschichte. Band 2). S. 49.

[2] Albrecht: Die Avantgarde des „Dritten Reiches“. S. 98, 100.

[3] Fromm: Die Coburger Juden. Geschichte und Schicksal. S. 34.

[4] Schwede, Franz: Kampf um Coburg. München 1939. S. 78f . Siehe auch Fromm: Die Coburger Juden. Geschichte und Schicksal. S. 34.