20. Mai 1928: Reichstagswahlen

Am 2. Mai 1928 standen Reichstagswahlen an. Bei dieser Wahl trat die NSDAP in Coburg zum ersten Mal unter ihrem eigenen Namen und ohne eine irgendwie geartete Listenverbindung an. Der Wahlkampf war, wie schon bei den Wahlen der letzten Jahre, vom Gegensatz der systemtragenden und der systemablehnenden Parteien geprägt. Vor allem die NSDAP wetterte mit Vehemenz gegen die Weimarer Republik. Für sie war diese Produkt einer jüdischen Verschwörung gegen das deutsche Volk. Der Hauptgegner der nationalistisch geprägten Parteien war die SPD. Sie verteidigte die Errungenschaften der Weimarer Republik und warnte vor den Unheil bringenden Feinden von rechts.[1]

Die Wahl vom 2. Mai 1928 brachte folgendes Ergebnis[2]:

KPD SPD DDP BVP DVP DNVP NSDAP Sonstige
Coburg insgesamt

Stimmen

%

 

985

2,58

 

14.879

39,00

 

1.516

3,97

 

571

1,50

 

844

2,21

 

10.416

27,30

 

7.800

20,45

 

1.137

2,98

Stadt Coburg

Stimmen

%

184

1,30

4.178

29,60

1.005

7,12

474

3,36

414

2,93

3.782

26,79

3.492

24,74

587

4,16

Bezirksamt Coburg

Stimmen

%

 

369

2,00

 

8.233

44,63

 

378

2,05

 

83

0,45

 

138

0,75

 

6.338

34,36

 

2.578

13,98

 

329

1,78

Stadt Neustadt bei Coburg

Stimmen

%

423

9,85

1.733

40,37

80

1,86

10

0,23

229

5,33

119

2,77

1.552

36,15

147

3,42

Stadt Rodach

Stimmen

%

9

0,70

735

56,84

53

4,10

4

0,31

63

4,87

177

13,69

178

13,77

74

5,72

Reich

Stimmen

%

3.262.876

10,61

9.150.533

29,77

1.478.469

4,81

945.306

3,08

2.678.532

8,71

4.380.196

14,25

809.939

2,63

8.032.911

26,13

Wahlberechtigte Abgegebene Stimmen Gültige Stimmen Wahlbeteiligung in %
Coburg 50.457 38.683 38.148 76,67
Reich 41.224.678 31.167.245 30.738.762 75,60

Erklärungen zur Tabelle:

KPD = Kommunistische Partei Deutschlands

SPD = Sozialdemokratische Partei Deutschlands

DDP = Deutsche Demokratische Partei

BVP = Bayerische Volkspartei

DNVP = Deutschnationale Volkspartei

DVP = Deutsche Volkspartei

NSDAP = Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei

Anmerkung: Unter die Sonstigen fallen in dieser Tabelle das Zentrum und die Reichspartei des Deutschen Mittelstandes (Wirtschaftspartei). Beide Parteien traten nicht in Bayern bzw. Coburg an. Da sie aber zusammen addiert im restlichen Deutschland rund 5 Millionen Stimmen holten, ist der Wert der sonstigen Parteien in der Tabelle so hoch.

(Dass bei den dargestellten Ergebnissen der Reichstagswahl die Anzahl der gültigen Stimmen aus der ersten Tabelle nicht mit der Gesamtzahl der gültigen Stimmen aus der zweiten Tabelle übereinstimmt und auch die Prozentangaben bei den Ergebnissen für das Reich zusammenaddiert nicht 100 % ergeben, hängt damit zusammen, dass nicht alle Parteien in Coburg zur Wahl standen. In der ersten Tabelle fanden nur Parteien Berücksichtigung, die in Coburg kandidiert hatten.)

Herausstechend am Wahlergebnis in Coburg ist die Stärke der NSDAP. Während die Partei im Reich noch eine Splitterpartei war, konnte sie im gesamten Coburger Land rund ein Fünftel, in der Stadt Coburg sogar fast ein Viertel, der Wähler hinter sich bringen. Der NSDAP gelang es, wie auch der national-konservativen DNVP, die Wähler, die unzufrieden mit den politischen Verhältnissen und der Nachkriegsordnung im Allgemeinen waren, für sich zu gewinnen.[3] Dabei handelte es sich nicht um eine einmalige Protestwahl. Das politische Klima im Coburg der Weimarer Jahre war antirepublikanisch.[4] Der Erfolg der Nationalsozialisten hing in Coburg auch mit deren aggressiver Propaganda gegen die Coburger Sparkasse und deren Direktor Konrad Soergel zusammen.[5]

Die bürgerlichen Mittelparteien DVP und DDP, konnten sich aus ihrem Tief nicht befreien. Wie schon bei den zurückliegenden Wahlen fristeten sie in Coburg ein Schattendasein und verloren immer mehr Stimmen an die Rechtsparteien DNVP und NSDAP.[6]


[1] Keller, Gunther: Coburg und die Weimarer Republik. Der Staat von Weimar im Spiegel der Coburger Wahlen von 1918 bis 1933. Unveröffentlichte Zulassungsarbeit zur ersten Prüfung für das Lehramt an Volksschulen an der Universität Bayreuth. Bayreuth 1981. S. 107ff.

[2] Zahlen nach: Statistisches Reichsamt (Hrsg.): Statistik des Deutschen Reiches. Band 372. I–III. Die Wahlen zum Reichstag am 20. Mai 1928 (Vierte Wahlperiode). Berlin 1931.

[3] Keller: Coburg und die Weimarer Republik. S. 113; Albrecht, Joachim: Die Avantgarde des „Dritten Reiches“. Die Coburger NSDAP während der Weimarer Republik 1922-1933. Frankfurt/Main 2005. (= Europäische Hochschulschriften. Reihe II. Geschichte und ihre Hilfswissenschaften. Band 1008). S. 166.

[4] Ebenda, S. 166.

[5] Reinhart, Michael: Der Aufstieg der NSDAP in Coburg im Spiegel der Sparkassengeschichte. In: Zeitschrift für bayerische Sparkassengeschichte 13 (1999). S. 283-306. Hier S. 291; Keller: Coburg und die Weimarer Republik. S. 111.

[6] Ebenda, S. 113.