5. Mai 1929: Der Volksentscheid über die Auflösung des Stadtrates

Nach der Entlassung des Coburger NSDAP-Ortsgruppenleiters Franz Schwede aus dem städtischen Dienst im Zuge der „Friedmann-Affäre“ berief die NSDAP für den 8. März 1929 eine Protestversammlung ein. Zu der Veranstaltung, der sich auch vaterländische und völkische Verbände anschlossen, erschienen rund 3.000 Personen. Hier wurde eine Resolution verabschiedet, in der der Stadtrat aufgefordert wurde, die Kündigung Schwedes zurückzunehmen. Des Weiteren kam man zu dem Schluss, der Stadtrat entspreche nicht mehr dem Willen der Mehrheit der Bürger. Danach kündigte Nationalsozialist Georg Linke an, dass die NSDAP ein Volksbegehren und einen Volksentscheid über Neuwahlen des Stadtrats initiieren werde.[1] Die Nationalsozialisten wollten die aufgeheizte Stimmung in Coburg nutzen, um daraus politisches Kapital zu schlagen.[2] Dies sollte ihnen auch gelingen.

Die für den Erfolg des Volksbegehrens nötigen Unterschriften – es mussten 20 % der Wahlberechtigten Coburger, also 3.139 Wähler, zustimmen – waren sehr schnell beisammen. Innerhalb weniger Tage hatten die Nationalsozialisten sogar über 6.000 Unterschriften gesammelt. Die Regierung in Bayreuth, der die Unterschriftenlisten übergeben wurden, setzte nach Prüfung der Unterlagen für den 5. März 1929 einen Volksentscheid über die Auflösung des Coburger Stadtrats an.[3]

Als am 5. März die Wahllokale schlossen, hatten 6.915 Coburger für eine Auflösung und eine Neuwahl des Stadtrats gestimmt. Der Volksentscheid war damit angenommen, denn rund 62 % der Wahlberechtigten hatten sich für das Begehren der Nationalsozialisten entschieden. [4]

Für den Erfolg der Nationalsozialisten waren zwei Faktoren ausschlaggebend. Zum einen die massive Propaganda der NSDAP: Am Wahltag wurde sogar ein Schleppdienst eingerichtet, der die Wähler in die Wahllokale brachte. Zum anderen war die herrschende Unzufriedenheit mit dem alten Stadtrat verantwortlich für den Erfolg der Nationalsozialisten. Die Erhöhung und Einführung immer neuer Steuern und Abgaben warf für viele Coburger ein negatives Bild auf den Stadtrat, auch wenn die meisten neuen Abgaben von der Kreisregierung in Bayreuth angeordnet worden waren.[5]

Die Nationalsozialisten feierten ihren Erfolg am 9. Mai mit einer großen Siegesfeier, zu der prominente Mitglieder der NSDAP nach Coburg angereist waren. Neben Hermann Esser und Ritter von Epp kam auch Hermann Göring in die Stadt.[6]

Als Wahltermin für den neuen Stadtrat wurde der 23. Juni 1929 festgesetzt.[7] Es sollte eine historische Wahl werden.


[1] „Voraus zur Unzeit“. Coburg und der Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland. Katalog zur Ausstellung der Initiative Stadtmuseum Coburg e. V. und des Stadtarchivs Coburg im Staatsarchiv Coburg. 16. Mai bis 8. August 2004. Coburg 2004. (= Coburger Stadtgeschichte. Band 2). S. 104; Albrecht, Joachim: Die Avantgarde des „Dritten Reiches“. Die Coburger NSDAP während der Weimarer Republik 1922-1933. Frankfurt/Main 2005. (= Europäische Hochschulschriften. Reihe II. Geschichte und ihre Hilfswissenschaften. Band 1008). S. 110ff.; Popp, Steffen: Coburgs Weg in den Nationalsozialismus 1919-1931: Die Etablierung des völkischen Antisemitismus und der Aufstieg der NSDAP. Offenbach am Main o. J. (Online unter: https://www.complifiction.net/wp-content/uploads/2012/03/Coburgs-Weg-ins-Dritte-Reich.pdf. Stand: 06. Januar 2010). S. 37.

[2] Albrecht: Die Avantgarde des „Dritten Reiches“. S. 111.

[3] Popp: Coburgs Weg in den Nationalsozialismus 1919-1931. S. 37;Schneier, Walter: Coburg im Spiegel der Geschichte. Von der Urzeit bis in die Gegenwart. Auf den Spuren von Fürsten, Bürgern und Bauern. Coburg 1986. S. 297; Asmalsky, Ludwig: Der Nationalsozialismus und die NSDAP in Coburg 1922-1933. Unveröffentlichte Zulassungsarbeit zur Prüfung für das Lehramt an den Gymnasien in Bayern an der Universität Würzburg. Würzburg 1969. S. 50.

[4] Albrecht: Die Avantgarde des „Dritten Reiches“. S. 113f.; Popp: Coburgs Weg in den Nationalsozialismus 1919-1931. S. 37f.; Schneier: Coburg im Spiegel der Geschichte. S. 297; Asmalsky: Der Nationalsozialismus und die NSDAP in Coburg 1922-1933. S. 51.

[5] Albrecht: Die Avantgarde des „Dritten Reiches“. S. 114.

[6] Schneier: Coburg im Spiegel der Geschichte. S. 297; Albrecht: Die Avantgarde des „Dritten Reiches“. S. 114; Asmalsky: Der Nationalsozialismus und die NSDAP in Coburg 1922-1933. S. 51.

[7] Ebenda, S. 52; Schneier: Coburg im Spiegel der Geschichte. S. 297.