2. Juli 1919: Der Rücktritt von Staatsrat Dr. Hermann Quarck

Der ehemalige Leiter des Staatsministeriums von Sachsen-Coburg und Gotha, Abteilung A in Coburg, Staatsrat Dr. Hermann Quarck behielt auch nach dem Ende des Herzogtums seine dominierende Stellung im Verwaltungsapparat. Er war im neuen Freistaat Coburg nicht nur geschäftsführendes Mitglied der dreiköpfigen Regierung, sondern auch Leiter des Staatsministeriums und damit der Verwaltung. Den Sozialdemokraten war diese Machtfülle von Anfang an ein Dorn im Auge. Doch gab es kurz nach der Revolution keinen Weg, der an dem erfahrenen Quarck vorbeiführte, wenn man nicht riskieren wollte, dass Coburg im Chaos versinke.[1]

Die Sozialdemokraten, die die Mehrheit in der Coburger Landesversammlung hatten, arbeiteten aber, nachdem sich die politische Lage wieder beruhigt hatte, konsequent auf den Sturz Quarcks hin. Die entscheidende Gelegenheit bot sich, als nach den Bestimmungen des Gemeinschaftsvertrages zwischen Coburg und Gotha die Coburger Landesversammlung bzw. Regierung einen Delegierten für den Thüringer Staatsrat bestimmen musste. Zu einer Wahl des Abgesandten kam es jedoch nicht, da die SPD-Fraktion ohne Rücksprache mit Quarck und den anderen Vertretern der Landesversammlung ihren Abgeordneten Reinhold Artmann als Coburger Delegierten bestimmte. Hierzu waren die Sozialdemokraten aufgrund ihrer Mehrheit in der Landesversammlung bzw. Regierung in der Lage. Für Quarck stellte dies einen unerlaubten Eingriff in die Kompetenzen der Regierung dar und einen Vertrauensentzug der Sozialdemokraten gegenüber seiner Person. Quarck zog daraufhin die Konsequenzen und trat am 2. Juli 1919 zurück.[2]

Nach dem Rücktritt Quarcks nutzten die Sozialdemokraten die Situation, um die in der Person Quarcks bestehende Personalunion zwischen Staatsministerium und Staatsregierung zu beseitigen. Am 11. Juli 1919 wurde deshalb das „Vorläufige Gesetz über die Gesetzgebung und Verwaltung im Freistaat Coburg“ verabschiedet.[3] Hier wurde eine klare Trennungslinie zwischen der Staatsregierung, die weiterhin aus drei gleichberechtigten Mitgliedern bestand, und dem Staatsministerium gezogen. Das Ministerium wurde als Exekutivorgan der Regierung nachgeordnet. Die immer noch vom Vertrauen der Landesversammlung abhängige Staatsregierung ernannte von nun an den Leiter des Staatsministeriums. Für den aus der Regierung ausscheidenden Quarck trat der DDP-Mann Dr. Hans Schack in die Regierung ein. Zum neuen Vorsitzenden der Regierung wurde Staatsrat Franz Klingler bestimmt. Die Leitung des Staatsministeriums wurde Dr. Ernst Fritsch übertragen.[4]

Mit dem Rücktritt Quarcks hatte die Revolution in Coburg ihr endgültiges Ende gefunden, denn mit dem Abtritt Quarcks verschwand der letzte große Exponent der alten Ordnung. Hinzu kam, dass durch die Verfassungsänderung vom 11. Juli 1919 auch die Staatsform grundlegend geändert wurde, d. h. weg von einer Art Präsidialregime hin zu einer echten Demokratie.[5]


[1] Finzel, Frank / Reinhart, Michael: Spuren: 175 Jahre Sparkasse Coburg. Hauptwege, Nebenwege, Irrwege. Stuttgart 1996. S. 207.

[2] Erdmann, Jürgen: Coburg, Bayern und das Reich 1918-1923. Coburg 1969. (= Coburger Heimatkunde und Landgeschichte. Reihe II. Heft 22). S. 40;Finzel / Reinhart: Spuren: 175 Jahre Sparkasse Coburg. S. 207.

[3] Gesetzsammlung für Sachsen-Coburg 1919, Nr. 32.

[4] Erdmann: Coburg, Bayern und das Reich 1918-1923. S. 40; „Nicht durch Krieg, Kauf oder Erbschaft“. Ausstellung des Staatsarchivs Coburg anläßlich der 75. Wiederkehr der Vereinigung Coburgs mit Bayern am 1. Juli 1920. Coburg, den 1. Juli – 1. September 1995. Hrsg. von der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns. München 1995. S. 106;Finzel / Reinhart: Spuren: 175 Jahre Sparkasse Coburg. S. 207.

[5] „Nicht durch Krieg, Kauf oder Erbschaft“. Ausstelunng des Staatsarchivs Coburg anlässlich der 75. Wiederkehr der Vereinigung Coburgs mit Bayern am 01. Juli 1920. Coburg, den 01. Juli – 01. September 1995. Hrsg. von der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns. München 1995. S. 103. Erdmann: Coburg, Bayern und das Reich 1918-1923. S. 41.