Ein Beitrag von Ulrich Göpfert

Fünfhundert Jahre lang sind in Europa unzählige Menschen dem Hexenwahn zum Opfer gefallen: vom Ende des 13. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts dauerte die Epoche der Hexenprozesse. Nicht nur ältere Frauen wurden als Hexen verbrannt, sondern auch junge Mädchen sowie Männer aller Altersstufen. Hexen und Hexer galten als „vom Glauben Abgefallene“. Man warf ihnen „Teufelsbund“ und Schadenszauber vor. Vor allem waren Frauenhass und Dämonenglaube die Beweggründe, die zum grausamen Tod von vermutlich weit über hunderttausend Menschen geführt haben.

Wie kam es zum Hexenwahn?
Über den Ursprung des Hexenmythos gibt es zwei Thesen: er wird zum einen in der schamanischen Tradition gesehen, die seit der Antike im ganzen eurasischen Kulturraum verbreitet war – zum anderen in einer Konstruktion der Kirche, entstanden aus der religiösen Polemik des ausgehenden Mittelalters.Weite Teile des Abendlandes waren um 1400 davon überzeugt, dass es eine Sekte von Hexen gab, die einen Pakt mit dem Satan geschlossen hatten. Diese Hexen wurden verantwortlich gemacht für Naturkatastrophen und Epidemien, die Mensch und Vieh vernichteten.

Die „Satansbrut“ treffe sich angeblich auf nächtlichen Versammlungen – am Sabbat, in der Synagoge – um den christlichen Glauben abzuschwören und die Religion des Teufels zu errichten. Dabei vereinigten sich Teufel und Hexen, verschlängen kleine Kinder, feierten Orgien. Teufelskult, ritueller Mord, schwarze Magie, dies alles trag dazu bei, dass in dem Mythos der Hexerei ein Abfall vom Christentum gesehen wurde.

Der Hexenhammer
1487 veröffentlichten die Dominikaner Jakob Sprenger und Heinrich Institoris das viel beachtete Buch „Malleus maleficarum“, der Hexenhammer, der so etwas wie eine theoretische Grundlage für die Hexenverfolgung darstellte. Darin wird die Minderwertigkeit der Frau auf die Genesis (Schöpfungsgeschichte) zurückgeführt. Gott hat Eva aus einer Rippe Adams geschaffen; daraus folgt nach theologischer Auslegung Unterwerfung der Frau unter den Mann. Da die Rippe ein gebogener Knochen ist, konnte das Wesen der Frau nur krumm und pervertiert sein. Als Beweis gilt der Sündenfall.

Außenseiter waren die Sündenböcke
Außenseiter mussten als Sündenböcke herhalten, um die verheerenden Auswirkungen der Pest, die schlechten Ernten, die überraschenden Todesfälle zu erklären. Beschuldigt wurden vor allem Frauen – zunächst die älteren, hässlichen, ärmeren, verwitweten oder allein stehenden. Die dörflichen (zum Teil auch städtischen) Gemeinschaften konnten auf diese Weise interne Spannungen auf ihre schwächsten Glieder lenken.

Im ausgehenden Mittelalter kam es zur Konzentration von Grundbesitz (Agrarkapitalismus), zur Entstehung des Verlagssystems (Frühkapitalismus) und damit zur allmählichen Auflösung traditioneller kollektiver Zusammenhänge (Dorfgemeinschaften, Genossenschaften). Besitzverhältnisse änderten sich, Bettelei und Armut nahmen zu. Viele Historiker sehen in diesen ökonomischen und sozialen Veränderungen eine weitere Ursache des Hexenwahns. Oft genügte es die Gegenseite der Hexerei zu beschuldigen, um Erbstreitigkeiten zu lösen, politische Gegner auszuschalten oder unliebsame Nachbarn und ökonomische Konkurrenten zu beseitigen.