Hochwasser Weihnachten 1967

Ein Bericht von Günther Wagner
Coburg, 2009

Im Dezember war es kalt, und es lag Schnee, in Thüringen offenbar sehr viel. Das wussten wir im Westen natürlich nicht. Mitte Dezember kam jedoch plötzlich ein Warmlufteinbruch, und die Temperaturen lagen plötzlich bei + 10 Grad und mehr. In Thüringen schmolz der Schnee.

Ich wohnte seit meiner Geburt im Haus Raststr. 1. Das Foto entstand kurz vor dem Abriss des Hauses 1983 oder 1984. Ganz rechts im Bild erkennt man die Rückseite des HUK-Gebäudes, das dann erweitert wurde und den Platz des Hauses Raststr. 1 und des Eckhauses zur Bahnhofstraße sowie des Eckhauses zur Kreuzwehrstraße einnahm und bis heute einnimmt.

Zur Zeit des Hochwassers wohnten im Haus Raststr. 1 im Parterre mein Onkel und meine Tante, im 1. Stock meine Mutter, und im 2. Stock unsere Familie, d.h. meine Frau und ich sowie unsere Kinder 2 und 4 Jahre alt.

Ich erinnere mich, dass es bereits während vergangener Jahre ab und zu Hochwasser gegeben hatte. Der Keller stand zwischen 10cm und 1 m öfters unter Wasser. Rückschlagventile gab es offenbar damals nicht, denn das Wasser drang immer über die Kanalisation in den Keller ein, und floss so auch weitgehend immer ab. So waren wir auch am 23. 12. 67 relativ gelassen und gingen ca. um 23 Uhr zu Bett.

Irgendwann zwischen Mitternacht und 1 Uhr fuhr die Polizei mit Lautsprechern durch die Straße und kündigte Hochwassergefahr an. Es wurde aufgefordert, die Keller so weit wie möglich zu räumen und Gegenstände zu sichern. Wir standen also auf, räumten aus den verschiedenen Kellern Lebensmittel, Holz für die Küchenherde und Öl für die Ölöfen nach oben. Im Hof hatten mein Onkel und ich unsere Autos geparkt. Es war zwar noch nie Wasser auf der Straße gewesen. Wir entschlossen uns aber dann doch, die Fahrzeuge wegzufahren und auf dem Gemüsemarkt zu parken – Gott sei Dank! Wir kamen rückwärts nämlich nicht mehr trockenen Fußes ins Haus.

Danach herrschte endlich Nachtruhe.

Am 24.12. zeigte ein Blick aus dem Fenster, dass dieses Hochwasser offenbar alle Rekorde brach. Es stand ca. 1 m hoch auf der Straße. Unsere Autos wären „abgesoffen“, hätten wir sie nicht weggefahren. Dann kam die nächste Überraschung. Der Strom war weg. Wir wollten Kaffee kochen. Elektrische Kaffeemühle, Fehlanzeige. Kaffeemaschine, Fehlanzeige. Gibt es irgendwo im Haus noch eine Handkaffeemühle? Es gab eine. Es gab auch noch Küchenherde, die man anschüren konnte. Ob es Gas gab, weiß ich leider nicht mehr.

Elektrorasierer gab es damals auch, aber nicht mit Akku. Rasieren, Fehlanzeige.

Aber der Christbaum hatte damals noch richtige Kerzen. Wir hatten auch andere Kerzen zufällig bevorratet, so dass dieses Weihnachten eigentlich für uns ganz romantisch war. Abends sitzen bei Kerzenschein.

Das Telefon ging natürlich auch nicht, sodass wir niemand mitteilen konnten, ob es uns gut ging oder nicht. Das haben wir aber nicht sonderlich vermisst.

Leider hatten offenbar nicht alle Nachbarn Heizmaterial und Leuchtmittel bevorratet. Am 25.12. fuhr der BGS mit Panzerspähwagen durch die Straße und bot Hilfe an. Einige ältere Nachbarn ließen sich dann evakuieren.

Am 26. 12. gegen Abend ging dann der Strom wieder, und das Wasser war so weit zurückgegangen, dass Verwandte zu und durchdringen konnten, um sich nach unserem Befinden zu erkundigen. Aber das war ja OK.

Schlimmer waren die Aufräumungsarbeiten im Keller ein oder zwei Tage später. Ein Öltank mit ca 700 l Inhalt war gekippt und teilweise leer gelaufen. Die Feuerwehr wurde verständigt und pumpte das Öl-Wasser-Gemisch ab. Der Keller stank fürchterlich nach Öl. Auf meine Frage: „Wo schüttet Ihr denn das ekelhafte Zeug hin“, bekam ich zur Antwort: „Nu von der Mohrenbrücke in die Itz, mir müssen doch von einem Keller zum nächsten“.

Die Reinigungsarbeiten im Keller dauerten noch Wochen.

Leider war dies nicht das letzte Hochwasser in der Raststraße. Am 1. oder 2. Januar 1982 stand das Wasser wieder auf der Straße, allerdings nicht höher als 5 oder 10 cm.

Das Haus Raststraße 1 war an die HUK verkauft. Als letzte der Verwandtschaft zog meine Tante Ende 1982 oder Anfang 1983 aus. Kurz danach wurde das Haus abgerissen.