Ein König in seinem Reich Teil I

Ein Bericht von Uta Ribbert

Alle Wege im Garten liefen auf das Gartenhaus von 1763 zu. Das Foto entstand 1924.

Im Jahre 1896 erwarb mein Urgroßvater Johannes Koch, Lehrer an der Rückertschule, einen 5500 qm großen Garten am Eckardtsberg. Der hochgewachsene, breitschultrige Mann mit Händen so wuchtig wie Grabschaufeln, damals 37 Jahre alt, hatte Großes vor mit dem Grundstück. Er wollte dort seiner Ehefrau Karolina, geb. Fischer, der Tochter des Hofschuhmachers Paul Fischer, und seiner neunjährigen Tochter Margarete eine Heimstatt im Grünen schaffen.

Oder kam der Traum von einem behaglichen Wohnhaus im Garten erst an zweiter Stelle? Zuerst nahm er den Spaten in die Hand und machte sich in seinem Hanggrundstück, einem ehemaligen Weinberg, ans Werk. Wie ein bis heute erhaltener Gartenplan ausweist, pflanzte er allein auf einem Viertel seiner Gartenfläche 123 Obstbäume und –sträucher. Auf dem gesamten Gelände muss er hunderte von Apfel-, Birn-, Zwetschen- und Kirschbäumen, dazwischen Nuss-, Mirabellenbäume und Quitten und Laubbäume wie Linden und Kastanien, in den Keuperlehmboden gesetzt haben.

Vielleicht war die Liebe zum eigenen Grund und Boden und die Betätigung darauf ein Erbe seiner bäuerlicher Herkunft aus Untersiemau; jedenfalls fühlte er sich, das betonte er oft, in seinem Garten wie ein König in seinem Reich.

Gleich nach Erwerb des Gartens hatte er sich einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten zugesellt, das war der Coburger Gartenbauverein von 1829. Dieser Verein, der damals, um die Wende zum 20. Jahrhundert, knapp 200 Mitglieder umfasste, hatte sich zur Aufgabe gemacht, durch das Anpflanzen verschiedener Obst-, Gemüse- und Blumensorten zu ermitteln, welche sich für die Verhältnisse des oberfränkischen Klimas und Bodens besonders eigneten.

Was die Männer aus den unterschiedlichsten Berufen (Lehrer waren allerdings am häufigsten vertreten) verband, war die Liebe zum Garten. Dahinter aber steckte mehr. Der Oberlehrer und damalige Vereinsvorsitzende Emil Dötschel pries 1915 in einer Ansprache Gartenarbeit als Gesundheitsquell und Jungbrunnen, als Gegengewicht gegen zunehmende Anforderungen im Berufsleben (Stress?) und gegen den Trend zum Besitz materieller Güter.

Die Mitglieder des Gartenbauvereins oder Gartenvereins, wie er auch genannt wurde, wetteiferten untereinander, wer in seinem Garten das beste Obst und Gemüse anbaute und die schönsten Blumen züchtete (manche brachten mehr als 100 Rosensorten zum Blühen). Man besuchte sich gegenseitig und führte sich mit Besitzerstolz seine gepflegten Anlagen vor. Auf Vereinsausflügen wurden außer den bürgerlichen auch herzögliche Gärten und Parks besichtigt.

Mitglieder der Herzogsfamilie waren seit Gründung des Vereins Ehrenmitglieder. Mit einem von ihnen, mit der Herzogin Victoria Adelheid, machte mein Urgroßvater persönliche Bekanntschaft. Sie war eine begeisterte Blumenliebhaberin und kümmerte sich besonders um die Anlagen auf Schloss Callenberg. Wie alle Gartenfreunde wusste sie um den Wert der Bienen bei der Befruchtung der Obstblüten. Sie trat dem Coburger Imkerverein bei, dessen Vorsitzender mein Urgroßvater Johannes Koch war. Gemeinsam fachsimpelten sie so manches Mal über die fleißigen Honigerzeuger.

Johannes Koch, der im Garten am Eckardtsberg in seinen Bienenhäusern nicht weniger als 30 Bienenvölker hielt, war in Coburg als „Bienen-Koch“ bekannt. Und auch als „Bazillen-Koch“, aber das ist eine andere Geschichte.