Das erste Sambafestival in Coburg

Brasilianisches Flair seit 1992

Die Idee war visionär. Die Initiatoren wollten „frischen Wind und brasilianische Lebensfreude“ in eine damals eher „konservative Kleinstadt“ wie Coburg bringen. Ziel war es, dass sich viele europäische Sambagruppen und -schulen in Coburg treffen, gemeinsam musizieren, ihre musikalischen Erfahrungswerte austauschen und zudem eine rauschende Samba-Party für alle veranstalten. So hatte es sich der ehemalige Schauspieler Michael Häfner ausgemalt, als er mit der Idee eines Samba-Festivals an Oberbürgermeister Norbert Kastner herantrat, der 1990 mit erst 30 Jahren zum jüngsten Oberbürgermeister Deutschlands gewählt worden war. Nicht nur der jugendliche Elan des neuen Stadtoberhaupts, sondern auch der Zeitpunkt für ein solches Anliegen waren optimal. Aufbruchsstimmung lag nach dem Mauerfall und der Wiedervereinigung in der Luft. Coburg war plötzlich in der Mitte Europas!
„Die Zeit war reif für Veränderungen“, stellte der damalige Weggefährte und Mitinitiator von Michael Häfner, Rolf Beyersdorf, im Nachhinein fest, der bis heute als Geschäftsführer von Sambaco tätig ist. Trotzdem war noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten, um das Stadtoberhaupt endgültig von der Idee eines Samba-Festivals in Coburg zu begeistern und diese von ihm genehmigen zu lassen. Nachdem die anfängliche Skepsis Kastners beseitigt war, holten sich Michael Häfner und Rolf Beyersdorf den Betriebswirt Christof Pilarzyk mit ins Boot. Zusammen mit Pilarzyk gründete Beyersdorf die Firma „Sambaco“ – Veranstalter des Samba-Festivals. Michael Häfner übernahm die Aufgabe des Künstlerischen Leiters. Nun war der Weg fast frei, um aus dem Bauch heraus „etwas völlig Neues und Einmaliges zu schaffen“ – brasilianisches Flair in die mittelalterliche Vestestadt zu bringen. Nur die Finanzierung des Festivals bereitete den drei Organisatoren noch einige Kopfschmerzen. Doch zum Glück konnten neben verschiedenen regionalen Sponsoren auch die HUK Coburg mit ihrer Kulturförderung „Wir bringen Coburg in Schwung“ in Höhe von damals 30.000 DM gewonnen werden. Die Stadt Coburg übernahm die notwendigen infrastrukturellen Arbeiten und stellte den Organisatoren die Plätze zur Verfügung. Und somit konnte der Samba vom 17.-19. Juli 1992 in Coburg erstmals Einzug halten!

Die Veranstalter rechneten mit max. 3.000 – 5.000 Besuchern, doch es kamen an die 30.000 Sambabegeisterte, um die über 20 auftretenden Musik- und Tanzgruppen zu sehen und zu hören. Wer über den Markt schlendern wollte, musste an den Hauswänden entlang gehen, um überhaupt durch die Menschenmassen zu kommen. Im Rückblick erinnert sich Beyersdorf an die „noch nicht so optimale Organisation im Jahr 1992“: Die Hauptbühne sei noch nicht überdacht gewesen und es wurde Heavy-Metal-Technik verwendet. Die Stadtbusse fuhren noch über den Marktplatz und bei der Versorgung der Auftretenden Sambagruppen musste man stark improvisieren. Absperrungen waren noch keine vorhanden. Die Gagen für die auftretenden Künstler
hielten sich in Grenzen und es wurden auch noch keine Eintrittsgelder für Besucher erhoben. Stattdessen bat man darum, das Programmheft für 3 DM Schutzgebühr und das offizielle Festabzeichen in Form eines Buttons für 4 DM zu erwerben.

Samba Showbühne

Samba Showbühne

Finanzierung des Sambafestivals

Finanzierung des Sambafestivals

Ehrung von Herrn Beyersdorf und Pilarczyk

Ehrung von Herrn Beyersdorf und Pilarczyk

Bereits am Freitagabend trafen sich die Sambagruppen in der Dreifachturnhalle am Anger zu einer öffentlichen Probe, bei der schon rund 1.000 Besucher zugegen waren. 300 Sambistas und Bateristas sorgten auf der Spielfläche für ausgelassene Stimmung. Etwa zur gleichen Zeit fand im Kunstverein eine Vernissage als Auftaktveranstaltung des Festivals statt. Am Samstag ab 10 Uhr wurde auch in der Innenstadt Samba als Livemusik geboten. An der Mauer, am Stadtcafé und in der Spitalgasse wurden Kleinbühnen und Podeste aufgestellt, auf denen verschiedene Gruppen und Vereine spielten und tanzten. Im Verlauf des Samstags verschob sich das Geschehen hin zum Marktplatz. Dort befand sich die große Bühne, auf der die Topacts wie WAWANCO aus München und die MORENAS TROPICANAS aus Pforzheim auftraten. Doch wer dachte, dass das Ende der Veranstaltung am Marktplatz
den Schlusspunkt für den Samstag markierte, der irrte sich. Bis in die frühen Morgenstunden wurde noch in der Dreifachturnhalle am Anger ausgiebig getanzt und gefeiert.

Der Sonntag begann um 10.30 Uhr mit einem Openair-Samba-Gottesdienst auf dem Marktplatz, bei dem schon damals auf die sozialen Probleme in Brasilien hingewiesen und für Kinderprojekte Spenden gesammelt wurde. Anschließend fand ein Samba Frühschoppen auf dem Marktplatz statt. Der Höhepunkt war für viele Besucher der Samba-Umzug durch die Coburger Innenstadt. Angeführt von der Coburger Samba-Gruppe „Tengo Dolores“/“Samba Colorido“ zogen die Sambabegeisterten mit Surdos, Reco-Recos, Ganzas, Afuxes, Tamburims, Repiniques, Cuicas, Pandeiros, Agogos, Zabumbas, Berimbaus, Congas, Bongos und Trillerpfeifen im Zweivierteltakt vom Schlossplatz über den Oberen und Unteren Bürglaß, den Oberen Steinweg, die Spitalgasse hin zum Marktplatz. Einen würdigen Abschluss fand das 1. Samba-Festival mit dem sogenannten „Sambódromo“, einer offenen Session für alle Samba-Gruppen und Vereine, nachdem der Umzug am Marktplatz eingetroffen war. Außerdem fand an beiden Tagen ein umfangreiches Kinderprogramm in der Nägleinsgasse statt.

Zum Gelingen des 1. Samba-Festivals trug neben dem schönen Wetter auch der Umstand bei, dass die Interessen aller Beteiligten bedient wurden: Die Sambagruppen konnten sich gegenseitig kennenlernen, untereinander vernetzen und auf verschiedenen Bühnen einem breiten Publikum präsentieren. Den Coburgern wurden im Gegenzug spektakuläre Auftritte und ein hoher Unterhaltungsfaktor aus „Exotik und Rhythmus“ geboten. Neben den Auftritten der „Back Beat Riders“ und „Tengo Dolores“/ „Samba Colorido“ sowie verschiedener Coburger Vereine waren u.a. folgende Gruppen beteiligt.

„Ramba Samba“ aus Berlin mit einer Rhythmus- und Bläsersektion und einer neuartigen Spielart von Samba

„Pimenta Malagueta“ aus Köln, die
karibische Atmosphäre verbreiteten

„Fiesta Loco“ aus Belgien mit unor-
thodoxen Sambaklängen und über-
arbeiteten Blues-und Funk-Stücken
(Instrumente: Gitarren, Blasinstru-
mente, Congas und Bongos)

„Wawanco“ aus München mit „elek-
tronischen Wohlklängen“ und einer
originellen Stilmischung aus Funk,
Salsa, Jazz und Samba, deren Band-
breite ihres Repertoires von Feuer-
land bis in die Karibik reichte

„Morenas Tropicanas“, eine interna-

tionale Tanzgruppe aus Pforzheim,
die in ihren prächtigen Kostümen
„Anmut und weiblichen Charme in
Hülle und Fülle versprühten“

„Escola de Samba a Bunda de Go-
temburgo“ aus Schweden

„Quizumba“ aus München