Alte Zeiten im Schlachthof Coburg

Ein Bericht von Dr. Eberhard Schmidt

(1972 bis 1997)

Die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Zeit der Industrialisierung in Deutschland. Damals entstanden auch die kommunalen Schlachthöfe. Die Metzger der Stadt durften aus hygienischen Gründen nicht mehr in ihren eigenen Betrieben schlachten. So entstand auch in Coburg gegen Ende des 19. Jahrhunderts der öffentliche Schlachthof vor den Toren der Stadt an einem fließenden Gewässer – der Itz. Ein Großteil der Schlachtabfälle (Blut, Darm) konnte so leicht entsorgt werden. Aus einschlägigen Anglerkreisen ist bis heute überliefert, dass die größten Forellen immer auf der Höhe des Schachthofs standen. Die hygienischen Probleme des Schlachtens wurden also vom Stadtkern vor die Tore der Stadt verlagert.

Der Schlachthof Coburg bestand dort etwa 100 Jahre, bis durch weiteres Wachstum der Stadt, auch dieser Standort nicht mehr tragbar war und der Betrieb endgültig eingestellt wurde. Leider blieb so die regionale Versorgung mit frischem Fleisch auf der Strecke.

Die Zeit von 1972 – 1997 war geprägt von umfangreichen Umbaumaßnahmen. Das handwerkliche Schlachten wurde umgestellt auf das effektivere industrielle Fließbandschlachten. So konnte der große Viehbestand des Coburger Landes bestmöglich für die Landwirtschaft verwertet werden.

Ich erinnere mich noch, wie Anfang der 1970er Jahre jeweils vierteljährig ein amerikanisches Panzerbatallion am Schlachthof vom Güterbahnhof kommend, „vorbeirollte“ zur Wachablösung am „Eisernen Vorhang“ nur wenige Kilometer vor den Toren der Stadt. Wir vom Schlachthof waren nicht nur raue Gesellen, wie sich mancher vorstellen mag, sondern hatten Mitgefühl für die arme Kreatur, die zur Schlachtbank geführt wurde. Freilich stand unsere Tierliebe in keinem Verhältnis zu der manches Bauern, der sein Tier persönlich zum Schlachthofe brachte, damit ihm auf dem Weg dorthin kein Leid geschah. Und manchmal sahen wir auf dem Viehanhänger auch eine Rübe oder sonstiges Leckerli sozusagen als letzten Bissen liegen.

Als EU-Schlachthof (Schlachtbetrieb, der in der EU zugelassen war) wurden wir strengen Kontrollen unterzogen, so z. B. auch von der EU-Kommission aus Brüssel. Der Kontrolleur, der aus einem anderen Land stammen musste, war in unserem Fall ein Grieche, der unseren Schlachthof am 19.12.1989 einen Besuch abstattete.

Damals wurde die Frankenbrücke gebaut und der Verkehr von Weichengereuth in die Stadt auf der Höhe des Schlachthofs über eine Behelfsbahn-überführung geleitet. Zu allem „Verkehrswirrwarr“ war an diesem Tag auch noch ein neuer Grenzübergang zur DDR geöffnet worden und es bildete sich ein Autokorso von Trabis vor unserem Schlachthof. Alle wollten ihr Begrüßungsgeld bei der Stadt abholen. Die Freude endlich im Westen zu sein, brachten Trabifahrer mit einem Hubkonzert zum Ausdruck.

Unser Kontrolleur wollte sich dieses Spektakel nicht entgehen lassen und eilte als Zuschauer auf die Straße. Wahrscheinlich erinnert er sich heute eher an den „Mauerfall von Coburg“ als an seine Aufgabe, den Schlachthof zu kontrollieren.

Blick ins Innere des Schlachthofs
Schlachter bei der Arbeit