Die Suche nach dem Bernsteinzimmer

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Für unser Lesebuch haben wir Coburger Journalisten nach ihren „Lieblingsstorys“ gefragt. Welche Geschichten sind im Laufe der Jahre besonders im Gedächtnis geblieben? Welche „Zeitungsaufreger“ beschäftigten Coburg? Oliver Schmidt vom Coburger Tageblatt hat seine persönliche „Lieblingsstory“ für das Digitale Stadtgedächtnis aus dem Archiv geholt.

Oliver Schmidt: Es war der 26. April 1998. Ein Sonntag. Ich hatte Dienst in der Redaktion, und der Feierabend war schon in Sicht, als mein Telefon klingelte. Am anderen Ende war ein Herr – wir nennen ihn Peter Müller. Er deutete an, mir einen Tipp für eine brisante Geschichte geben zu können, wollte aber noch nichts verraten. Er wollte sich mit mir treffen – heute noch. Aus Sicherheitsgründen nahm ich Berthold Köhler, der ebenfalls Sonntagsdienst hatte, zu dem ominösen Treffen mit.

Wir fuhren in Richtung Scheuerfeld. Treffpunkt: „Schindberg“. Mitten im Wald: ein großes Loch. „Hier wird nach dem Bernsteinzimmer gesucht“, sagte uns Peter Müller und erklärte: Der sagenumwobene und seit dem Zweiten Weltkrieg verschwundene Schatz sei von Königsberg ausgerechnet nach Coburg „in Sicherheit“ gebracht worden, weil gegen Ende des Krieges schon in etwa klar war, wo die Grenzen der künftigen Besatzungszonen verlaufen würden. Dazu kam: Franz Schwede, der ehemalige Oberbürgermeister von Coburg und ab 1934 NSDAP-Gauleiter in Pommern hatte Kontakt mit einer Person, die für den Abtransport des Bernsteinzimmers zuständig war. Kam von ihm die Idee mit dem Schindberg? Immerhin war dort früher ein Steinbruch, der erst Mitte der 1940er Jahre aufgefüllt wurde. Für Peter Müller stand das Rätsel um das Bernsteinzimmer praktisch unmittelbar vor seiner Auflösung.

Am frühen Montagmorgen begannen Berthold Köhler und ich mit der aufwendigen Recherche für diese Geschichte, die wir ja selbst kaum glauben konnten. Irgendwann schafften wir den Durchbruch: Das Bundesinnenministerium bestätigte uns, dass es in Coburg nach dem Bernsteinzimmer suchen lasse.

Am Dienstag hatten wir im Tageblatt die Schlagzeile: „Bernsteinzimmer in Coburg vermutet“. Das saß. Am Mittwoch wimmelte es bereits vor Fernsehkameras! Mittendrin: das ZDF, das uns beide kurz später fürs „heute-journal“ interviewte. Der Beitrag wurde noch am selben Abend ausgestrahlt.

Es war der Beginn von vielen spannenden Wochen. Am Schindberg wurde fleißig gegraben, und gefühlt verbrachte ich damals mehr Zeit im Wald als in der Redaktion. Zwar gerieten auch Schloss Callenberg und andere Stellen in Coburg ins Visier, doch leider blieb die Suche erfolglos. Eines Tages kam dann vom Bundesinnenministerium die Mitteilung, dass man die Nachforschungen einstellen werde.