Die Geschichte der Schleswig-Holsteinischen Fahne

Erinnerungsfoto (Juli 1910) anlässlich der Übergabe des Fahnenbandes zur Schleswig-Holsteinischen Fahne an den Turnverein von 1848.

Zur Vorgeschichte siehe: Das 1. Deutsche Turn- und Jugendfest in Coburg (1860)

Wie schwer es zum Teil den einzelnen Abordnungen beim 1. Deutschen Turn- und Jugendfest fiel, dem im Coburg vorgebrachten „Einheitsgedanken“ zu folgen, zeigt eindrücklich die Geschichte um die „Schleswig-Holsteinische Fahne“.

Den Turnern des Kieler Männerturnvereins von 1844 war es im Vorfeld durch eine Verfügung untersagt worden, ihre Fahne aus dem zu dieser Zeit dänisch regierten Schleswig-Holstein mit nach Coburg zu bringen. In Eile und in Nachtarbeit fertigten die Frauen der Coburger Turner eine einfache Fahne in den Landesfarben, die die Kieler – unter großer Anteilnahme – am nächsten Tag im Festzug mitführten. „Brüder!“, wandte sich ein Turner an die Versammlung, „Wir haben unsere Fahne zu Hause lassen müssen, erst hier konnten wir sie frei entfalten. Wir können sie nicht mit zurücknehmen; ich lasse sie hier. Bringt Sie uns selbst, wenn die rechte Stunde gekommen ist“.

Über letztere „Bringschuld“ – die Fahne blieb nämlich einstweilen zur Verwahrung auf der Veste zurück, sollte in Folge noch gestritten werden, denn nach dem Deutsch-Dänischen und dem sich anschließenden Deutschen Krieg war Schleswig-Holstein ab 1867 unter preußischer Herrschaft und so 1871 Teil des Deutschen Reiches geworden.

Die Zeit war gekommen – und in Kiel erinnerte man sich durchaus noch an die in Coburg zurückgelassene Fahne. Eine Übergabe zum 25. Jubiläum des 1. Deutschen Turnfestes 1885 in Dresden scheiterte aus politischen Gründen, nicht zuletzt aber auch daran, dass zwischenzeitlich mehrere Parteien Anspruch auf die Fahne erhoben hatten. Insbesondere der Kieler Männerturnverein versuchte später bei so manchem Deutschen Turnfest, die Fahne den aus Coburg angereisten Turnern zu entreißen.

Obwohl sich schließlich auch die Deutsche Turnerschaft für einen Verbleib der Fahne in Coburg aussprach, blieb sie ein Zankapfel, so dass zum 50. Jubiläum im Jahr 1910 schließlich Herzog Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha ein „Machtwort“ sprach: „Ich habe mit dem heutigen Tage beschlossen, diejenige Fahne, welche zur Zeit der Zerrissenheit Deutschlands Coburger Jungfrauen den Schleswig-Holstein‘schen Turnern widmeten und welche bisher auf meiner Veste Coburg aufbewahrt wurde, dem ältesten Turnverein von 1848 Coburg als Ehrenfahne zu verleihen.“

Die Fahne überstand schadlos beide Weltkriege und erlebte in Folge 1960 auch die 100. Wiederkehr des Deutschen Turnfestes in Coburg. 1965 trugen die Coburger Turner die Fahne beim Bayerischen Landesturnfest in Augsburg ein letztes Mal vorweg – in späteren Jahren verblieb sie dauerhaft auf der Veste, ohne zumindest einmal ihre „Heimat“ Schleswig-Holstein gesehen zu haben. Schließlich reiste die Fahne erstmals im Jahr 1987, anläßlich des 125. Jubiläums des Schleswig-Holsteinischen Turnverbandes – gut bewacht von einer fünfköpfigen Coburger Delegation – nach Rendsburg. Erst 1994 kam sie, anlässlich des 150-jährigen Bestehens des Männerturnvereins von 1844, nach Kiel.

Zur 150-Jahrfeier des Turnvereins von 1848 Coburg (1998) und zur 150. Wiederkehr des Deutschen Turnfestes im Jahr 2010 war die Fahne, die sich in Besitz und Verwahrung des Turnvereins befindet, schließlich nochmals öffentlich in Coburg zu sehen.

Die Schleswig-Holsteinische Fahne beim Bayerischen Landesturnfest (1965) in Augsburg.
150-jähriges Jubiläum des Kieler Männerturnvereins von 1844: Die Schleswig-Holsteinische Fahne in Kiel (1994).
Der langjährige Fahnenträger Peter Sauer mit der Schleswig-Holsteinischen Fahne bei der 900-Jahr-Feier der Stadt Coburg (1956)