Familie Morgenthau: Über Hans Joachim Morgenthau

Hans Joachim Morgenthau wurde am 17. Februar 1904 in Coburg geboren. Seine Eltern waren der Arzt Ludwig Morgenthau und Frieda Bachmann. Sie lebten in der Spitalgasse 3. Von dem Haus ist heute nur noch die Fassade erhalten. Morgenthau besuchte das Gymnasium Casimirianum, an dem er 1923 sein Abitur machte.

Sein Lebensumfeld war schon damals stark antisemitisch geprägt. In seinem Aufsatz „Was erhoffe ich mir für die Zukunft?“ schrieb er 1922: „Meine Beziehung zur sozialen Umwelt wird von drei Faktoren bestimmt: Ich bin Deutscher, ich bin Jude, und ich bin in der Nachkriegszeit erwachsen geworden.“ Er beschrieb sich darin als „verbittert durch die Einsamkeit vieler Jahre, ausgeschlossen von den Vergnügungen der Jugend, ausgestoßen aus meinem Vaterland.“

Unter den Coburgern bekannt sind die Ereignisse rund um das Stiftungsfest des Casimirianums, bei dem Morgenthau eine Rede hielt. Traditionsgemäß steigt der beste Schüler des Abiturjahrgangs beim Stiftungsfest auf einer Leiter zur Statue von Herzog Johann Casimir hinauf und legt einen Kranz auf den Kopf der Statue. Hubert Fromm schreibt in seinem Buch „Die Coburger Juden“, dass es Morgenthau als bestem Schüler seines Jahrgangs verboten wurde, die Statue zu bekränzen, weil er Jude war. Burkhard Spachmann, Schulleiter des Casimirianums, widerspricht dieser Aussage. In dem Jahr, in dem Morgenthaus Jahrgang die Zeremonie durchgeführt hat, sei er nur zweitbester Schüler gewesen. 1922 sei ein Mädchen die beste Schülerin des Jahrganges gewesen. Da sie mit Rock nicht die Leiter hochklettern konnte, habe der Drittbeste die Aufgabe übernommen. Hans Joachim Morgenthau habe traditionsgemäß im Rahmen des jährlichen „Stiftungsfestes“ am 3. Juli1922 die Lobrede auf das Gymnasium und den Schulgründer Herzog Johann Casimir gehalten.

Welche Darstellung auch richtig sein mag: Das Stiftungsfest blieb Hans Joachim Morgenthau zeitlebens negativ in Erinnerung. Denn bereits im Vorfeld waren gegen Morgenthaus Rede antisemitische Flugblätter verteilt worden und während der Rede verließen mehrere Personen die Veranstaltung. Beim anschließenden Umzug wurde er beschimpft und bespuckt.

Von 1923 bis 1927 studierte Hans Joachim Morgenthau zuerst Philosophie in Frankfurt am Main und später Jura und Philosophie in Berlin und München. Nach seiner Promotion 1929 war er am Arbeitsgericht in Frankfurt am Main als Richter tätig. Er verließ 1932 Deutschland und unterrichtete an der Universität Genf Öffentliches Recht. Von 1935 bis 1936 war er als Professor in Madrid tätig.

Mit seiner Frau Irma emigrierte er 1937 in die USA. 1943 nahm er die amerikanische Staatsbürgerschaft an. In den USA unterrichtete er an mehreren großen Universitäten. Außerdem war er als Berater des amerikanischen Außen- und des Verteidigungsministeriums tätig, bis er sich kritisch über den Einsatz amerikanischer Truppen in Vietnam äußerte. Er veröffentlichte mehrere Bücher. Als sein Hauptwerk gilt das Buch „Politics Among Nations. The Struggle for Power and Peace“ (deutscher Titel: „Macht und Frieden. Grundlegung einer Theorie der internationalen Politik“), das 1948 erschien.

Hans Joachim Morgenthau erhielt eine Vielzahl an Ehrendoktortiteln und Auszeichnungen und war Mitglied der American Academy of Arts and Sciences sowie anderer akademischer Vereinigungen. 1975 erhielt er von der Bundesrepublik Deutschland das große Verdienstkreuz. Hans Joachim Morgenthau starb am 19. Juli 1980 in New York.