3. September 1921: Der Coburger Blutsonnabend

Plakat Umzugsverbot, Coburger Blutsonnabend (3. September 1921) Foto: Stadtarchiv Coburg, Plakatsammlung 1921-1/Bayerische Staatsbibliothek München.

Am 26. August 1921 wurde der Zentrumsabgeordnete und ehemalige Reichsfinanzminister Matthias Erzberger von Mitgliedern des rechtsradikalen Geheimbundes Organisation Consul ermordet. Reichspräsident Friedrich Ebert erließ daraufhin am 29. August den Ausnahmezustand für das gesamte Reich. Die bayerische Regierung unter Gustav Ritter von Kahr verweigerte jedoch den Vollzug des Ausnahmezustands in Bayern. So kam es zu einem der großen Konflikte während der Weimarer Republik zwischen Bayern und dem Reich.[1]

Die Sozialdemokraten, also die SPD und die USPD, reagierten auf die Ermordung Erzbergers mit Protestaktionen und Streiks, d. h. mit Aktionen für die Demokratie und die Weimarer Republik. In Bayern richtete sich der Protest zusätzlich gegen die Rechtsregierung unter von Kahr.[2]

In Coburg hatten die Funktionäre der sozialistischen Parteien und die Betriebsräte in einer Besprechung am Donnerstag, den 1. September 1921, beschlossen, eine Sympathiekundgebung für die Republik zu veranstalten, sowie gegen den Mord an Erzberger und das Verhalten Bayerns in der Frage des Ausnahmezustands zu protestieren. Geplant wurde diese Kundgebung für Samstag, den 3. September. Einen Tag zuvor wurde das Coburger Bezirksamt über die Absichten von SPD und USPD informiert und um die Genehmigung einer Protestaktion auf dem Schlossplatz ersucht. In diesem Gesuch war nur von einer stationären Protestaktion auf dem Schlossplatz die Rede und nicht von einem Demonstrationszug, auch wenn ein solcher zu erwarten war.[3]

Die Coburger Stadtverwaltung genehmigte die Demonstrationsveranstaltung, jedoch nicht einen Demonstrationszug durch die Stadt. Diesen aber hatten die Veranstalter inzwischen geplant. Der Zug sollte vom Schlossplatz über die Steingasse, Markt, Spitalgasse, Steinweg und Bahnhofstraße zum Bahnhof geführt werden. Dem Ersuchen des Sozialdemokraten Franz Klinglers, auch diesen Demonstrationszug zu genehmigen, erteilte die Regierung in Bayreuth eine scharfe Absage und gab an die Coburger Behörden die Weisung, dass ein solcher Demonstrationszug mit allen Mitteln verhindert werden müsse.[4]

Am Samstag erschienen zwischen 2.500 und 3.000 Personen zur Demonstrationskundgebung auf dem Schlossplatz. Kurz nach Beginn der Veranstaltung rückte schwer bewaffnete Landespolizei an und begann, die Wege vom Schlossplatz in Richtung Innenstadt mit Stacheldrahtsperren zu sichern. Des Weiteren wurde der Marktplatz mit Polizeieinheiten besetzt, damit sich dort keine Demonstranten sammeln konnten.[5] Das Erscheinen der Landespolizei und deren Maßnahmen versetzten die Menschen auf dem Schlossplatz in Erregung. Ein großer Teil der Versammelten stürmte zu den Straßen, die in die Innenstadt führten. An den Sperren der Landespolizei kam es zu heftigen Pöbeleien und vereinzeltem Handgemenge. Nachdem es jedoch einigen Demonstranten gelungen war, die Absperrungen zu umgehen und sich somit auch in der Innenstadt ein Demonstrationszug formierte, eskalierte die Lage. Die Landespolizei, die sich nun von zwei Seiten bedroht fühlte, wusste sich nur durch den Gebrauch der Schusswaffe und das Werfen von Handgranaten(!) zu helfen. Gegen Abend wurde dann, um die Lage nicht weiter eskalieren zu lassen, die Landespolizei zurückgezogen. Die Erregung der Demonstranten legte sich daraufhin langsam, und die Stadtpolizei wurde allmählich wieder Herr der Lage.[6]

Die Bilanz des „Coburger Blutsonnabends“ war verheerend. Es wurden ca. 20 Personen verletzt, von denen sechs ins Krankenhaus eingeliefert werden mussten. Von diesen Personen erlag eine am 5. September 1921 ihren Verletzungen.[7] Des Weiteren wurden Sachschäden im Wert von 50.000 Mark angerichtet.[8]

Dass die bayerische Landespolizei so vehement gegen die Demonstranten vorging, hing damit zusammen, dass die bayerische Regierung ihren Status als Ordnungsmacht im gerade erst neu angeschlossenen Staatsgebiet deutlich machen und festigen wollte.[9] In der Bevölkerung führten diese Ereignisse zu einer lebhaften Kontroverse. Man warf der bayerischen Kreisregierung in Bayreuth ein unverhältnismäßig hartes Einschreiten gegen die Demonstranten vor. Das noch recht junge Verhältnis zwischen Bayern und Coburg hatte einen schweren Schlag erlitten. So mancher Coburger begann sich zu fragen, ob der Anschluss an Bayern wirklich die richtige Entscheidung gewesen war; separatistische Überlegungen machten die Runde.[10]

[1] Erdmann, Jürgen: Coburg, Bayern und das Reich 1918-1923. Coburg 1969. (= Coburger Heimatkunde und Landgeschichte. Reihe II. Heft 22). S. 80.

[2] Ebenda, S. 80.

[3] Ebenda, S. 80f.; Schneier, Walter: Coburg im Spiegel der Geschichte. Von der Urzeit bis in die Gegenwart. Auf den Spuren von Fürsten, Bürgern und Bauern. Coburg 1986. S. 281.

[4] Erdmann: Coburg, Bayern und das Reich 1918-1923. S. 81; Schneier: Coburg im Spiegel der Geschichte. S. 281; „Voraus zur Unzeit“. Coburg und der Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland. Katalog zur Ausstellung der Initiative Stadtmuseum Coburg e. V. und des Stadtarchivs Coburg im Staatsarchiv Coburg. 16. Mai bis 8. August 2004. Coburg 2004. (= Coburger Stadtgeschichte. Band 2). S. 34.

[5] Erdmann: Coburg, Bayern und das Reich 1918-1923. S. 83, 86; Schneier: Coburg im Spiegel der Geschichte. S. 281; „Voraus zur Unzeit“. S. 34.

[6] Erdmann: Coburg, Bayern und das Reich 1918-1923. S. 83f.; Schneier: Coburg im Spiegel der Geschichte. S. 281-282; „Voraus zur Unzeit“. S. 34. Siehe auch: Coburger Volksblatt“ v. 5. September 1921.

[7] Erdmann: Coburg, Bayern und das Reich 1918-1923. S. 84; Schneier: Coburg im Spiegel der Geschichte. S. 282; „Voraus zur Unzeit“. S. 34.

[8] Schneier: Coburg im Spiegel der Geschichte. S. 282.

[9]  Nöth, Stefan: Coburger „Blutsonnabend“, 3. September 1921. In: Historisches Lexikon Bayerns. (Online unter: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44462. Stand: 18. Januar 2010).

[10] Erdmann: Coburg, Bayern und das Reich 1918-1923. S. 84; „Voraus zur Unzeit“. S. 34.