14. November 1918: Der Rücktritt von Herzog Carl Eduard

„In einem am Morgen des 9. November eingegangenen Schreiben hat die sozialdemokratische Fraktion des Landtages die alsbaldige Einberufung des Landtages beantragt. Diesem Antrag ist, so schnell die schwierigen Verkehrsverhältnisse es erlaubten, entsprochen worden. Unterdessen ist Deutschland eine auf sozialistischer Grundlage beruhende Republik geworden, in deren Rahmen kein Raum für das Fortbestehen von Einzelmonarchien ist. Damit hat der Herzog aufgehört, in den Herzogtümern Coburg und Gotha zu regieren. Er hat alle Beamten von dem ihm geleisteten Eid entbunden. Auch weiterhin ist er beseelt von dem aufrichtigen Wunsch für das Wohl seiner bisherigen Landeskinder und unseres armen, geschlagenen Vaterlandes.“[1] Diese von Staatsminister Hans Barthold von Bassewitz in der letzten Sitzung des Gemeinschaftlichen Landtags von Coburg und Gotha am 14. November in Gotha verlesene Erklärung war keine förmliche Abdankung, sondern nur eine Lagebeschreibung, sie wurde jedoch vom Landtag als Rücktritt des Monarchen gewertet.[2] Der Herzog verzichtete bewusst auf einen formellen Rücktritt, da zu diesem Zeitpunkt niemand sagen konnte, wie die politische Entwicklung im Deutschen Reich und damit auch in Coburg weitergehen würde. Herzog Carl Eduard wollte sich alle Möglichkeit offen lassen, seine Rechte und die Rechte seines Hauses wieder wahrzunehmen.[3] Mit Verkündung dieser Verlautbarung von Herzog Carl Eduard hatte das Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha praktisch zu existieren aufgehört. Coburg war nunmehr eine Republik oder, im damals üblichen Sprachgebrauch, ein Freistaat.[4]

Eigentlich hätten nun nach Paragraf 160 des Staatsgrundgesetzes für Sachsen-Coburg und Gotha von 1852 die verfassungsmäßigen Rechte des Herzogs auf den Gemeinschaftlichen Landtag übergehen müssen; so forderten es auch die Coburger Abgeordneten. Dagegen wandte sich jedoch die Gothaer USPD-Fraktion, die die gesamte politische Gewalt in die Hände eines Arbeiter- und Soldatenrates legen wollte. Um eine Fortdauer der Sitzungen des Gemeinschaftlichen Landtags zu verhindern, drohte man von Gothaer Seite mit dem Einsatz von Waffengewalt. Damit war mit dem Landtag auch die zweite Verbindung zwischen Coburg und Gotha neben dem Herzog, nämlich der Landtag, ausgeschaltet. Die beiden Landesteile verband nun verfassungsmäßig nichts mehr.[5] Sofort machten sich die Coburger die Parole „Los von Gotha!“ zu Eigen. Aufgrund dieser Entwicklung wurde Coburg vor vier große Aufgaben gestellt: 1. Schaffung einer neuen Verfassungsordnung (Diese war nötig, da das Staatsgrundgesetz von 1852 auf der Personalunion der beiden territorial nicht zusammenhängenden Landesteile unter einem Fürsten beruhte. Nach dem Rücktritt des Monarchen war die bisherige Verfassung obsolet geworden[6]); 2. Lösung der restlichen administrativen Bindungen an Gotha; 3. Abfindung des Herzogs und 4. Anschluss des Freistaats Coburg an ein lebensfähiges Staatswesen.[7]


[1] Zitiert nach Erdmann, Jürgen: Coburg, Bayern und das Reich 1918-1923. Coburg 1969. (= Coburger Heimatkunde und Landgeschichte. Reihe II. Heft 22). S. 9f.

[2] Albrecht, Joachim: Die Avantgarde des „Dritten Reiches“. Die Coburger NSDAP während der Weimarer Republik 1922-1933. Frankfurt/Main 2005. (= Europäische Hochschulschriften. Reihe II. Geschichte und ihre Hilfswissenschaften. Band 1008). S. 61; Hambrecht, Rainer: Die Vereinigung des Freistaates Coburg mit Bayern. In: Jahrbuch für fränkische Landesforschung 58/59 (1998/1999). S. 371-390. Hier S. 377.

[3] Erdmann: Coburg, Bayern und das Reich 1918-1923. S. 10.

[4] Schneier, Walter: Coburg im Spiegel der Geschichte. Von der Urzeit bis in die Gegenwart. Auf den Spuren von Fürsten, Bürgern und Bauern. Coburg 1986. S. 275; Coburgs Weg nach Bayern. Ausstellung des Bayerischen Staatsarchivs Coburg zur 50. Wiederkehr des Anschlussjahres 1920. Coburg, den 27. Juni – 12. Juli 1970. Hrsg. von Klaus Freiherr von Andrian-Werburg. Neustadt a. d. Aisch 1970. S. 16.

[5] „Nicht durch Krieg, Kauf oder Erbschaft“. Ausstellung des Staatsarchivs Coburg anläßlich der 75. Wiederkehr der Vereinigung Coburgs mit Bayern am 1. Juli 1920. Coburg, den 1. Juli – 1. September 1995. Hrsg. von der Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns. München 1995. S. 74f.

[6] Coburgs Weg nach Bayern. S. 16.

[7] Hambrecht, Rainer: Freistaat Coburg, 1918-1920. In: Historisches Lexikon Bayerns. Online unter: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44876. (Stand 06. Januar 2010);Erdmann, Jürgen: Coburg, Bayern und das Reich 1918-1923. S. 14; Nöth, Stefan: Coburger Landesstiftung. In: Historisches Lexikon Bayerns. Online unter: http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/artikel/artikel_44375. (Stand: 06. Januar 2010).