Wer war die Bären-Meichel?

Ein Bericht von Helmut Wolter

Wer heute am Albertsplatz zur Fleischerei Fischer, früher Weschenfelder, hinsieht, ahnt nicht, dass im Vorgängerhaus im Jahr 1722 eine arme Frau verbrannte, die ihr weniges Geld noch aus dem brennenden Haus holen wollte. Diese arme Frau wurde die Bären-Meichel genannt, aber wer war sie tatsächlich? Eine Frage die sich fast 290 Jahre nach ihrem grausamen Tod nicht einfach beantworten läßt.

Um die Identität der To­ten zu klären, ist es notwendig, die Quellen auf Gemeinsamkeiten in den Aussagen hin zu überprüfen. Der Brandort läßt sich aus den Lehnbüchern Staats­archiv Coburg GA 189, der Stadtchronik im Stadtarchiv Coburg, B 105 fol. 237; dem Seelenregister von 1721 StadtA Coburg B 111, 2 und mit einer gewissen Vorsicht in den Jahrbüchern von Karche be­stimmen. Werden die Eintragungen bei Karche und der Stadtchronik überprüft, so zeigt sich, dass Karche die Stadtchronik als Quelle benutzt und Eintragungen teilweise ergänzt übernommen hat.

Karche berichtet: „den 20. März, am großen Bußtage, kam Feuer bei dem Seiler, Adam Reiz, in dem sogenannten Schweinfurter Haus vor dem Ketschenthor am Sinkenwehr aus, wobei die Bärenmeichel, welche ihr weniges Geld noch holen wollte mit verbrannt.“

Ein erster Hinweis auf ein Schweinfurter Hausfindet sich im Seelenregister von 1721.

20.03.1721 Seelenregister: „Adam Reichts, (43) aus Coburg, Thor Wachtmann, uxor Marga­retha (46) aus Schweinfurt. (StadtA B 111/II fol.180). Die Ehefrau Margaretha Reichts stammt also aus Schweinfurt. Wahrscheinlich hieß das Haus deshalb im Volksmund der Schweinfurterin Haus.

Schwierig ist ein Abgleich der Familiennamen. Diese sind bei StACo GA 189, bei Karche und im Seelenregister der Stadt Coburg angegeben, in der Stadtchronik fehlt der Name des Hauseigentümers, es ist nur die Bezeichnung eines Ehrenamtes angegeben. Die unterschiedlichen Schreibweisen der Namen Reichts und Reiz ergeben sich aus einem gewissen phonetischen Gleichklang. Wird zur Bestimmung des Hauses oder des Grundstücks das betreffende Lehnbuch im Staatsarchiv Coburg herangezogen, so finden sich im betreffenden Zeitraum zwei Eintragungen:

13.06.1709 Adam Reichts, das Haus pro 100 fl. erkauft. [Nachtrag von ande­rer Hand: das Haus ist abgebrannt.] (StACo GA 189 fol. 308)

20.03.1722 den 20. März, am großen Bußtage, kam Feuer bei dem Seiler Adam Reiz in dem sogenannten Schweinfurter Haus vor dem Ketschenthor am Sinkenwehr aus, wobei die Bärenmeichel, welche ihr weniges Geld noch holen wollte mit verbrannte. (Karche Jahrbücher 1853, 3 Bände)

1722 Den 20. Marty, früh 2 Uhr ist in dem Zinkenwehr, in dem Stücksack oder Pritschen­meister genannt, seinem Hause Feuer auskommen, welches Haus abgebrannt, wobey ein armes Weib, die Bären Meichel genannt mit verbrand, weil selbige umgekehrt und ihr weniges Geld holen wollen. (StadtA Coburg B 105 fol. 237)

23.01.1725 Johann Christian Adami, Herrenbader, die abgebrannte Hofstätt um 50 fl. Kauf- und 1 Species Taler Gönnegeld erkauft. (StACo GA 189 fol. 308) Als Brandort ist über eine weitere Überprüfung der Eintragungen das heutige Grundstück Albertsplatz 2 nachgewiesen.

Wer war nun die Bären-Meichel? Hier hat der Volksmund wieder einmal einen Namen verfälscht. Im fränkischen Dialekt bedeutet das Wort Meichel nichts anderes als Margarethe. Der Wortteil Bären deutet in der Um­gangssprache auf den Familiennamen Bär hin, also könnte die Tote den Na­men Margarethe Bär oder Beer geführt haben. Eine andere Möglichkeit ist, dass der Beiname der Verstorbenen, Bären-Meichel, Bezug auf ihre Arbeit nimmt. Da es sehr unwahrscheinlich ist, dass diese Frau mit dem Tier Bär in irgendeiner Verbin­dung stand, ist es realistischer, dass sich die Tote mit Sammeln und dem Verkauf von Beeren und ähnlichem ihren kargen Lebensunterhalt verdiente. In den Worten ein armes Weib und ihr weniges Geld noch holen finden sich ­in der Stadtchronik weitere Punkte zur Beantwor­tung der obigen Frage.

Wenn die Angaben stimmen, dass in der Nacht vom 19. auf 20. März 1722 eine Frau mit dem Vornamen Margarethe oder Margaretha zu Tode gekommen ist, dann müsste diese einige Tage später beigesetzt worden sein. Die letzte Einzelheit zur Lösung des Falls findet sich im Sterberegister der Kirchgemeinde St. Moriz. Dort ist dokumentiert:

23.März 1722 Margaretha Scharffin, Witwe, ¼ Leiche. (Pfarramt St. Moriz, Coburg, Sterberegister März 1722)

So der Eintrag zur Beisetzung der Margarethe Scharffin. Hier ist auch von einer Witwe und ¼ Leiche die Re­de. Mit dem Familienstand Witwe sind auch die Worte ein armes Weib erklärt, denn das Leben einer Witwe war damals alles andere als rosig. ¼ Leiche ist die Bezeichnung für eine sehr einfache Beisetzung für die wenig Gebühren zu bezahlen waren. Ein weiterer Hinweis auf die Personengleichheit der Bärenmeichel und der Margaretha Scharffin ist, dass in den Tagen nach dem Brand keine weitere Be­erdigung stattfand, bei der Leichnam einer Frau die Margarethe oder Marga­retha hieß, beigesetzt wurde.