Das Attentat und der Staatsstreichversuch vom 20. Juli 1944

Was war der 20. Juli 1944, dessen 65. Jahrestag wir heute begehen? Ein Aufstand des Gewissens? Ein gescheiterter Versuch, national-konservativer Offiziere, sich selbst an die Macht zu bringen? Beide Meinungen in vielen Varianten wurden in der Diskussion um die Bedeutung des 20. Juli 1944 vorgebracht. Dazu erschien eine schier unüberschaubare Menge an Veröffentlichungen, von denen Sie einen Teil in unserer Literaturliste finden. Diese kontroversen Diskussionen sind Geschichte.

Weder die politischen Vorstellungen Stauffenbergs für die Zeit nach dem gelungenen Staatsstreich, noch die anderer Beteiligter am 20. Juli, wie Carl Friedrich Goerdelers, spielten beim Aufbau der Bundesrepublik Deutschland eine entscheidende Rolle als Vorbild für die Neuordnung. Dazu waren diese zu sehr von überlebten Traditionen wie z. B. ständischen, autoritären und vordemokratischen Vorstellungen geprägt. Aber allein unter diesem Aspekt den Widerstandskreis des 20. Juli oder den Kreisauer Kreis zu beurteilen, wäre dennoch völlig unangemessen. Sie sind alleine aus den Widersprüchen ihrer Zeit heraus zu verstehen. Wer diese Debatte nachlesen will, wird z. B. bei Joachim Fest (S. 147 ff.) oder ausführlich bei Hans Mommsen fündig.

Nach mehreren vergeblichen Versuchen – Sie wissen dies vermutlich alle – zündete am 20. Juli 1944 Claus Schenk Graf von Stauffenberg, im Führerhauptquarter „Wolfsschanze“ eine Bombe, die Hitler nur leicht verletzte. Im Glauben, Hitler getötet zu haben, wird nach Stauffenbergs Rückkehr nach Berlin mit der „Operation Walküre“ der Versuch unternommen, mit Hilfe des Ersatzheeres mit einem Staatsstreich die NS-Herrschaft zu beseitigen und den Weltkrieg und den Völkermord zu beenden.

Der 20. Juli 1944 war nicht allein ein Akt des militärischen Widerstands, sondern hatte auch eindeutig zivile Elemente. Peter Hoffmann betont sogar die „entscheidende und grundlegende Bedeutung“ (S. 411) dieses zivilen Elementes, zu dem nicht nur der frühere Leipziger Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler und Yorck von Wartenburg gehörten, neben Moltke der wichtigste Vertreter des Kreisauer Kreises, sondern auch Vertreter von Gewerkschaften und der Kirchen.

Doch trotz dieses wesentlichen zivilen Elementes war auch unstrittig, dass nur durch das Militär, das über die entsprechenden Machtmittel verfügte, das NS-Regime von Deutschen selbst beseitigt werden konnte. Die Voraussetzung des Gelingens des Staatsstreichs war die Tötung Hitlers, auch wenn manche Beteiligte dagegen erhebliche, vor allem religiöse Einwände hatten. Nur dadurch – darüber herrschte Einverständnis – war die Loslösung der Wehrmachtsangehörigen vom Eid auf Hitler und damit die Möglichkeit gegeben, durch die gewohnten Befehlsstränge die Armee in ihrer Mehrheit auf die Seite der Putschisten zu ziehen.

Der Versuch scheiterte, nicht nur an mangelhafter Vorbereitung (aber wer möchte behaupten, dass unter den gegebenen Umständen und Schwierigkeiten diese Unklarheiten und Mängel sich so einfach hätten vermeiden lassen?), sondern vor allem daran, dass Hitler nicht tot war und damit die meisten Wehrmachtsteile und eine Reihe von durchaus zur Beteiligung am Staatsstreich bereiten Offizieren sich an ihren persönlichen Eid Hitler gegenüber gebunden fühlten.

Zudem gelang es nicht, die Kommunikationsstränge aus Hitlers Hauptquartier zu unterbinden und die Rundfunksender zu besetzen. Auch die Verhaftung der führenden Partei- und SS-Funktionäre scheiterte schon im Ansatz.

Hans Bernd Gisevius charakterisierte Hansen so: Dieser und Freytag-Loringhoven, ein anderer Widerstandskämpfer,„gehörten innerhalb der Abwehr zum alten oppositio-nellen Stamm. Bis sie der Strudel des 20. Juli verschlang, haben sie eine klare Linie gehalten.“ (S. 177)

Georg Alexander Hansen, so wird später in den Berichten der Ermittler ausgeführt, war am 20. Juli dafür vorgesehen, „bei der Besetzung des Dienstgebäudes der Geheimen Staatspolizei“ (Gestapo) mitzuwirken. (Kaltenbrunnerberichte S. 48)

Warum Hansen am 20. Juli nicht in Berlin war, bleibt ungeklärt. Spekulationen benennen mögliche Motive: Glaubte Hansen nicht, dass Stauffenberg nach den verschiedenen abgebrochenen Versuchen wirklich die Bombe zündet? Oder war dies eine Konsequenz aus der von Gisevius berichteten „gefühlsmäßigen“ Meinung Hansens: „die Sache müsse schiefgehen“? (Gisevius S. 299) War Hansen – wie Peter Hoffmann, Gisevius zitierend, behauptet – „ostentativ auf Urlaub gefahren“, da er mit dem „schlecht vorbereiteten Putsch nichts zu tun haben“ wollte? (Hoffmann S. 834, Anm. 137; Gisevius, Wo ist Nebe?, S. 156 ff.)

Hansen kehrte am 22. Juli nach Berlin zurück, obwohl er vermutlich Möglichkeiten zur Flucht hatte, und wurde verhört und verhaftet. Andere Quellen (Gisevius, Wo ist Nebe?, S. 158 ff.) nennen den „23. Juli spätnachmittags“. Er wurde am 10. August zum Tode verurteilt und nach weiteren Verhören am 9. September in Berlin-Plötzensee ermordet.

Im Zusammenhang mit dem 20. Juli 1944 wurden ungefähr 600 bis 700Personen verhaftet, etwa 200 wurden hingerichtet.