Coburg war einst eine sehr bedeutende Bierstadt. Darüber geben die Artikel von Gerd Bieler, Patrick Aigner und Norbert Niermann über die Geschichte der Vereinsbrauerei sowie den zahlreichen Fotodokumentationen über die Coburger Hofbräu und der Brauerei Scheidmantel reichhaltig Auskunft. Der folgende Beitrag über die Wagnersbrauerei soll nun ein weiteres Mosaiksteinchen dafür sein, wie bedeutsam das Coburger Bier in früheren Zeiten war. Die Geschichte dieser Brauerei begann bereits im Jahre 1770 im Hause Judengasse Nr. 11 (heute befindet sich dort der PLUS-Markt). In diesem Jahr erwarb die Familie Wagner das Anwesen und eröffnete dort eine Bäckerei. 20 Jahre später verlieh Herzog Ernst Friedrich von Sachsen-Coburg-Saalfeld der Familie die Brau- und Schankgerechtigkeit. Es war zur damaligen Zeit nichts ungewöhnliches das Bäcker im Nebenberuf auch Brauer waren, denn brauen konnte man nur in der kalten Jahreszeit. Konservierungsmittel waren noch völlig unbekannt und so schlug der Gerstensaft bei warmen Temperaturen immer ganz schnell um.
Unter dem Bäckermeister Nikolaus Wagner (1789-1858) erlebten die Bäckerei und auch die Brauerei ihren ersten Höhepunkt. Insgesamt zehn Gesellen und 18 Dienstboten beschäftigte er in dieser Zeit. Zusammen mit seiner Ehefrau Ernestine hatte Wagner drei Söhne und eine Tochter. Der Erstgeborene Sohn Peter Wagner führte die Bäckerei in der Judengasse weiter. Sie sollte dort noch bis 1965 existieren. Der zweite Sohn Friedrich (geboren 1830) sollte die Brauerei übernehmen. Er genoss daher eine Ausbildung im Büttnerhandwerk und als Bierbrauer im elterlichen Betrieb. Im Jahre 1853 erwarb sein Vater Nikolaus das Anwesen Herrngasse Nr. 5. Dort existierte zu jener Zeit ein Gasthaus „Zur Rose“ mit Braugerechtigkeit. Nach dem Tode von Nikolaus Wagner im Jahre 1858 erhielt nun Friedrich Wagner dieses Grundstück im Erbgang. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde die Bierproduktion von der Juden- in die Herrngasse verlegt. Das Gasthaus war schon 1853 von Friedrich Wagner bewirtschaftet worden. Dies belegt die Gründungurkunde des Coburger Vereins „Concordia“ der 1856/57 in den Räumen des Gasthauses „Zur Rose“ gegründet wurde. Mit dem ererbten Gebäude hatte Wagner nun große Pläne. 1859 baute er sich in das Haus eine Malzdarre ein. Er wollte wohl seine Brauerei weiter ausbauen. Das dafür notwendige Wasser bezog er aus dem Rückertbrunnen. Doch waren die räumlichen Verhältnisse in der Herrngasse recht beengt, sodass Wagner sich gezwungen sah, außerhalb der Stadt eine neue Brauerei errichten zu lassen.
Im Jahre 1863 erwarb er daher einige Grundstücke am Fuße des Judenberges. Dort begannen im Jahr darauf die ersten Arbeiten zum Bau einer Brauerei und einer Brauereigaststätte. Umfangreiche Unterlagen sind dazu im Stadtarchiv Coburg vorhanden. Es wird dabei von einem Neubau eines Bierkellers und eines Lagerhauses, dem Aufbau eines Stockwerkes auf ein Wirtschaftsgebäude im Neuen Weg, einem Anbau am Wohnhaus im Neuen Weg und von dem Einbau einer Braupfanne im Keller am Neuen Weg berichtet. 1874 installierte man in die Wagnersbrauerei eine Dampfkesselanlage. Die Brauerei trug einst die Adresse Judenberg Nr. 2 und befand sich direkt an der Stelle der sogenannten Judenbergunterführung, gegenüber des Böhm´schen Privatkindergartens. Diese Unterführung gab es 1863 noch nicht. Die Bahnschienen verliefen noch ebenerdig zur Straße hin, sodass man nur einen einfachen Bahnübergang überqueren brauchte. Da es auch noch keine Stadtautobahn gab, war dort genügend Platz für eine Brauerei. Die Brauereigaststätte hingegen befand sich genau auf der anderen Straßenseite der heutigen Unterführung Richtung Neuer Weg. Sie wurde ebenfalls, wie das Gasthaus „Zur Rose“ in der Herrngasse in den folgenden Jahrzehnten von der Familie Wagner bewirtschaftet. Zu dieser Zeit war der Konkurrenzdruck immens groß. Besonders die Gründung der Vereinsbrauerei am Hahnweg im Jahre 1871 veränderte die Situation der bis dahin bestehenden Braubetriebe. Friedrich Wagner sah sein Unternehmen darin gefährdet. Um dem entgegen zu steuern wollte Wagner selbst, mit einigen Braukollegen eine Brauerei, ähnlich der Vereinsbrauerei gründen. Und er gewann auch zwei Bierbrauer, die bei dieser Sache mitmachten: Carl-August Flinzberg und Karl Müller. Flinzberg hatte seinen Betrieb in der Judengasse Nr. 19 (heute Gaststätte Rizzibräu), Müller betrieb eine Gastwirtschaft und eine Brauerei in der Metzgergasse Nr. 9 (ehemals Gaststätte „Zur Goldenen Krone“).
1875 erwarben diese drei die Gebäude der früheren Ernst Fischer´schen Färberei und Wollwarendruckerei in der Badergasse Nr. 8 (heute steht dort der Baderhof). Dort gründeten sie die „Genossenschaftsbrauerei“. Leider blieb diese Unternehmung nicht von Erfolg gekrönt. Bereits 1885 musste die Brauerei Konkurs anmelden. Das Gelände übernahm die Kreditkasse des Spar- und Hülfevereins Coburg. Von diesem Misserfolg erholte sich die Wagnersbrauerei und deren Besitzer Friedrich Wagner nicht mehr. Er starb noch im selben Jahr im Alter von 55 Jahren. Die Brauerei im Neuen Weg erbten nun dessen beide Söhne Ernst und Friedrich Wagner jun. Sie stellten im Jahre 1887 den Braubetrieb endgültig ein und verkauften 1893 Teile des Brauereigeländes an die Deutsche Reichsbahn, die das Gelände zum Ausbau ihres Streckennetzes am Coburger Hauptbahnhof benötigte. Allerdings sollten die ersten Arbeiten dort im Jahre 1911 beginnen. Im Zuge dieser Maßnahmen wurde die Brauerei abgebrochen, dass sie der neuen Judenbergunterführung im Wege stand. Die Brauereigaststätte wurde unter dem Namen „Wagnersbrauerei“ noch bis in die Mitte der 1920er Jahre weitergeführt. Danach diente sie als Bierniederlage der Bamberger Hofbräu AG. Das Haus blieb bis 1899 im Besitz der Familie Wagner. Danach war eine Familie Catterfeld jahrelang Eigentümer des Hauses. Im Zuge des Ausbaus des Neuen Weges zur Stadtautobahn wurde die Brauereigaststätte im Jahre 1977 abgebrochen. Mit ihr verschwand die letzte Erinnerung an diese Coburger Brauerei. Lediglich einige Bierkeller haben sich von ihr noch bis in die Gegenwart erhalten.
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