Die Zeit nach der Kapitulation: Anfang einer neuen Zeit

Ruhe herrschte überall, keiner wusste wie es weitergehen würde. Nervöse Spannung lag in der Luft.
Ganz in der Nähe, in der Lauterer-Straße, wurden zwei Wohnblöcke und einige Privathäuser von den Amerikanern beschlagnahmt. Innerhalb von Stunden, mussten die Bewohner ihre Häuser verlassen und versuchen, irgendwo bei Verwandten oder Bekannten unterzukommen. Das war sehr schwer für die oft älteren Menschen. Aber in dieser Zeit haben die Menschen noch zusammengehalten und sie aufgenommen, selbst wenn es in den Wohnungen dann sehr beengt zuging. Die meisten Familien hatten ja schon Flüchtlinge aufnehmen müssen. Da sind Leute vom Amt gekommen und haben sich die Wohnungen angesehen. Wenn sie der Meinung waren, die Wohnung ist für die Familie zu groß, haben sie ein oder manchmal auch zwei Zimmer beschlagnahmt und schon sind die Flüchtlinge, die meist schon gewartet haben, eingezogen. Überwiegend musste dann auch noch eine Küche von beiden Familien genutzt werden. Dass es dabei oft zu sehr zu großen Problemen gekommen ist, kann jeder verstehen.

Von den Amerikanern wurde eine Ausgangssperre erhoben. Es war am Anfang nur in der Zeit von 7:00-10:00 und von 16:00-18:00 Uhr erlaubt, das Haus zu verlassen. Nur in dieser Zeit waren auch die Läden geöffnet. Nicht erlaubt war es auch, auf der Straße zu laufen. Später wurde die Ausgangszeit bis 22:30 verlängert und 15 Minuten vorher ertönten die Sirenen, um das Ende anzukündigen. Wer danach noch auf der Straße war und erwischt wurde, musste mit einer Geldstrafe oder in schwereren Fällen sogar mit einer Haftstrafe rechnen. Strom und Wasser gab es nur für ein paar Stunden am Tag.
Später gab es einen Erlass, dass der Strom sogar für 24 Stunden abgestellt wurde. Coburg war dafür in 5 Zonen eingeteilt und so wurden immer ganze Stadtviertel jeweils von 12:00 mittags bis zum nächsten Tag 12:00 mittags abgeschaltet.
In Hinblick auf den in den nächsten Wochen zu erwartenden Flüchtlingsstrom wurde am 30.10.1945 für die Stadt Coburg und den Landkreis ein Flüchtlingskommmissar ernannt und mit uneingeschränkten Vollmachten ausgestattet. Seinen Weisungen hatten auch Bürgermeister, Wohnungskommissare usw. unbedingt Folge zu leisten. Sie wurden aufgefordert Säle und Gastwirtschaften für den Zweck einer Unterbringung der Flüchtlinge freizumachen.
Eine Meldung war innerhalb von 10 Tagen einzureichen.( Amtsblatt Nr. 15 Seite 162)
Am 06.12.1945 waren in Coburg (Amtsblatt Nr.20. vom 06.12.1945) 7581 Flüchtlinge gemeldet, es war für die Stadt Coburg eine gewaltige Aufgabe, alle diese Personen unterzubringen.

Wir wurden aufgefordert, Waffen, Ferngläser, Fotoapparate usw. abzuliefern, die haben die Amerikaner auf einen Haufen getan, Benzin darüber gegossen und angezündet. Die Ausgangzeit wurde streng kontrolliert. Wer danach noch auf der Straße war, wurde verhaftet. Später habe ich erfahren, wer erwischt wurde, den haben sie zum Marktplatz gefahren und dort 24 Stunden festgehalten.
Es herrschte ein völliges durcheinander, Recht und Ordnung waren außer Kraft. Die ehemaligen Kriegsgefangenen, in der Hauptsache Polen, die in der Hindenburg-Kaserne untergebracht waren, hatten Plünderungsrecht. Im Bausenberg wurde ein Mann aus Cortendorf erschlagen, weil er sein Fahrrad nicht hergeben wollte. Auch das Fahrrad unserer Mutter wurde gestohlen, es gab ja keine Polizei und die Amerikaner ließen sie gewähren. Zum Glück wurden die Kriegsgefangenen nach ein paar Tagen zurück in ihre Heimatländer gebracht. Aber in dieser Zeit herrschte überall große Angst. Als die ehemaligen Kriegsgefangenen die Kasernen geräumt hatten, sind die Amerikaner dort eingezogen, sodass auch die beschlagnahmten Privathäuser wieder zurückgegeben wurden. Rund um die Kasernen wurden zirka 5 Meter hohe Wachtürme errichtet, die Tag und Nacht besetzt waren und mit Scheinwerfern versehen das Außengelände in der Nacht taghell erleuchtet haben. Wir Kinder haben für die Wachposten das Holz gehackt und nach oben geschafft, dafür bekamen wir Schokolade oder auch einmal Zigaretten, die wir gegen etwas Essbares eingetauscht haben. Unsere Mutter und viele andere Frauen, haben die Wäsche für die Amerikaner gewaschen und auch dafür gab es Schokolade, Seifen und Zigaretten. Wir Kinder haben die Wäsche immer an den Zaun gebracht und meist neue entgegen genommen. Diese Sachen konnten wir dann wieder gegen Essbares bei den Bauern eintauschen.