Die wirtschaftliche Situation im September

Im Bericht der Coburger Handelskammer an das Regierungspräsidium in Bayreuth am 4. September 1920 wurden verschiedene Industriebranchen über die Kohle und Rohstoffversorgung, Auftragslage und wirtschaftliche Situation befragt.

Historischer Teddybär
Porzellankaffeekanne von 1920

♦  Korbwarenindustrie

Die Kohleversorgung war unzureichend, genügend Rohstoffe waren vorhanden. Der Preisrückgang war zu gering, um Fertigwaren herzustellen. Die  Auftragslage war fast komplett eingebrochen, sodass die Außenwerkstätten nicht betrieben werden konnten. Der Geldeingang erfolgte langsam und die
Betriebskosten erhöhten sich durch steigende Löhne und Portokosten. 94 Korbmacher waren arbeitslos gemeldet.

♦ Spielwarenindustrie

Grude und andere Rohstoffe waren ausreichend vorhanden. Die Geschäftslage war unbefriedigend, wegen der Valutaverbesserung gab es einen Auftragsrückgang. Das Ausland verweigerte entweder die Warenannahme oder machte Abschläge oder zahlte die Rechnung mit starker Verzögerung.
Inlandsaufträge gab es aufgrund der hohen Gestehungskosten und den gestiegenen Kosten kaum. Die Folge war, dass nicht alle Arbeiter weiter  beschäftigt werden konnten. Die Betriebe stellten zum Teil ihre Arbeit ein oder arbeiteten stark reduziert.

♦ Holzverarbeitungsindustrie

Die Brennstoffversorgung war ausreichend, der Holzpreis sank. Die Rohstoffpreise gingen leicht zurück, der Spiritus wurde teurer. Der Auftragseingang
war spärlich, die Stapelware ging stockend, die Spezialartikel mittelmäßig. Alte Aufträge waren storniert worden, die Arbeitswoche konnte aufrechterhalten werden. Die Kundschaft hielt sich stark zurück.

♦ Feinsteingutindustrie

Da zu wenig Kohle vorhanden war, musste auf Torf und Holz zurückgegriffen werden. Um Zuweisung von Kohle wurde gebeten. Von den restlichen
Rohstoffen war genügend vorhanden, die Lieferungen verzögerten sich wegen zu wenig eingesetzten Eisenbahnwaggons. Die Inlandsnachfrage war zurückhaltend, es waren noch genügend Aufträge vorhanden, sodass die wirtschaftlichen Verhältnisse günstig waren.

♦ Möbelindustrie

Die Kohle war fast ausreichend, der Rest wurde mit Brennholz ausgeglichen. Dieses sammelte man für den kommenden Winter, da man für diese
Jahreszeit reichlich Bedenken bezüglich der Versorgung hatte. Holz und Rohstoffe waren vorhanden. Die Nachfragelage nach Möbeln war sehr schwach. Es fand ein Rückgang von Aufträgen statt, weil erstens kein Rückgang der Materialkosten und Angestelltengehältern erfolgte, zweitens zu hohe Steuern für die Käufer anfielen und drittens die Luxussteuer schädlich für den Verkauf war.

♦ Porzellanindustrie

Die Kohleversorgung war „sehr spärlich“, von den restlichen Rohstoffen war genügend vorhanden. Aktuell findet ein „Käuferstreik“ statt, eine Preiserhöhung war nicht möglich. Gestiegene Materialkosten und Mitarbeiterlöhne wirkten sich negativ aus. Aufträge aus dem Ausland wurden zum Teil aufgrund von zu hohen Preisen storniert. Die Produktionskosten stiegen. Aufgrund einer zu hohen Steuerbelastung gab es kaum Auslandskundschaft. Ein höherer Kapitalbedarf ist notwendig, Vorauszahlungen der Kunden fanden nicht statt. Eine Ausfuhrgenehmigung bekam man meist erst nach vier  Wochen. Der Geldeingang fand oft erst nach fünf bis sechs Monaten statt.

Arbeitslosenstatistik im Kassenzettelformat
Arbeitslosenstatistik am
01. September 1920

Schreiben vom Staatsministerium an die Bezirksverwaltungsbehörden des Freistaates Coburg vom 28. Juni 1920

Infolge der Maul- und Klauenseuche sind Orte vom Verkehr abgesperrt und dadurch Arbeiter arbeitslos geworden. Die Erwerbslosigkeit ist als Kriegsfolge anzusehen und die Arbeiter haben Anspruch auf Erwerbslosenunterstützung. Diese ist ihnen auf für die erste Woche der Erwerbslosigkeit zu zahlen. Mit dem Betrag für die erste Woche der Erwerbslosigkeit ist die Staatskasse zu belasten, soweit der Reichsanteil in Frage kommt, da insoweit das Reich hierfür nicht aufzukommen hat.