Drei Fragen zum Thema

Herr Oberbürgermeister Tessmer, wie wichtig ist für Sie persönlich das Recht auf freie Meinungsäußerung in der heutigen Zeit?

„Hier stehe ich, ich kann nicht anders“ – Luthers Wortschöpfungen haben die deutsche Sprache bis heute geprägt. Gerade im Reformationsjubiläum sollten wir kritisch damit umgehen, was Luther uns sagen wollte, welche Botschaften er bereithielt. Martin Luther predigte von „Gleichheit, Toleranz, Freiheit“ – diese Werte sind bis heute Grundpfeiler der westlichen Welt. Die Möglichkeit seine Meinung frei zu äußern ist im Jetzt wichtiger denn je. Denn nur wenn Menschen ihre Meinung frei äußern und darüber streiten dürfen, können sie einen politischen Willen bilden. Das ist die Grundlage der Demokratie. Die Meinungsfreiheit gehört für mich somit zu den wichtigsten Menschenrechten, doch erfordern gerade die Menschenrechte Wachsamkeit. Und so hat auch Meinungsfreiheit seine Grenzen, denn wer beleidigt oder zu einer Straftat aufruft, muss Grenzen aufgezeigt bekommen. Die Menschenrechte beginnen bei jedem einzelnen Menschen und werden von jedem einzelnen getragen. Jeder hat die Pflicht sein Gewissen und seine Vernunft zu befragen, bevor er seine Meinung kund tut.

Oberbürgermeister Norbert Tessmer

Frau Bürgermeisterin Dr. Weber, welche Bedeutung hat für Sie der Aufenthalt Luthers in Coburg und welche Strahlkraft erhoffen Sie sich von der Landesausstellung?

Die Monate, die Martin Luther 1530 als Gast von Kurfürst Johann dem Beständigen auf der Veste Coburg verbrachte, gehören zu den produktivsten Perioden im Leben des Reformators. Luther verfasste in Coburg eine ganze Reihe an Schriften und Briefen. Neben der Arbeit an der deutschen Übersetzung der Bibel, entspringen rund 120 Briefe, aber auch zahlreiche zentrale Bekenntnis- und Streitschriften, seiner Feder. Wohl nicht zuletzt auch deswegen, weil er sich in der Vestestadt wohlfühlt. „Es ist ein überaus reizender und für Studien geeigneter Ort“, schreibt Luther damals über Coburg. Zeitgleich wurde auf dem Augsburger Reichstag über Glaubensfragen und damit nicht zuletzt über die Zukunft der von Luther 13 Jahre zuvor angestoßenen Reformationsbewegung diskutiert. Zum einen dokumentiert die Tatsache, dass der Coburger Kurfürst dem unter Reichsacht und Kirchenbann stehenden Martin Luther während des Augsburger Reichstages auf der Veste Coburg Zuflucht und Schutz bot, zum ersten Mal die liberale Gesinnung der Coburger. Aber auch für den gesamten Prozess der Reformation sind die Monate in Coburg bedeutend, geben sie dem vogelfreien Luther doch die Möglichkeit in Ruhe und Sicherheit an seinem Werk weiter zu arbeiten. Da Luther in diesen Tagen aber auch sehr öffentlich in Coburg in Erscheinung trat, beispielsweise während mehrerer Predigten in der Morizkirche, ist auch die Bedeutung für unsere Stadt an sich eine ganz besondere und macht Coburg zu einer der wichtigsten Lutherstädte in den alten Bundesländern. Diese Strahlkraft gilt es nun zu nutzen. Den Verantwortlichen ist das in der Konzeption der Landesausstellung hervorragend gelungen, indem sie Luthers direkte Wirkungsstätten, die Veste und die Morizkirche, so eingebunden haben, dass sie Teil der Landesausstellung werden. Im Zusammenspiel mit einem attraktiven Rahmenprogramm, haben wir damit die Chance, den zahlreichen Besuchern unsere Stadt zu präsentieren und sie einzuladen, Coburg genauer zu entdecken.

2. Bürgermeisterin Dr. Birgit Weber

Herr Bürgermeister Nowak, wie würden Sie einem Jugendlichen heute die Bedeutung der Reformation erklären?

Die Reformation war eines der ersten Medienereignisse. Die Erfindung des Buchdrucks und die damit zusammenhängende Möglichkeit Luthers, Aussagen in großem Umfang z. B. auf Flugblättern verbreiten zu können, hatte einen wesentlichen Anteil an der Veröffentlichung der Botschaften Martin Luthers. Eine vergleichbare Revolution in der Medienlandschaft sind heute die sozialen Netzwerke. So wie früher mit Flugblättern werden heute Nachrichten im Internet verbreitet. Luther hätte vermutlich Facebook, Twitter & Co. ebenso genutzt, um seine Anliegen bei der Bevölkerung kund zu tun. Luther sagte seine Erkenntnisse und Meinung in klaren Worten. Noch heute sind Redewendungen, wie z. B. „jemanden vor den Kopf stoßen“ oder „in den sauren Apfel beißen“ fester Bestandteil unseres täglichen Sprachgebrauchs. Nicht immer sind seine Aussagen auf allgemeine Zustimmung und Freude bei der Kirchenleitung oder der Staatsgewalt gestoßen. Trotzdem hat er sich in seinen Ansichten nicht beirren lassen und seine Meinung und Haltung offen und frei geäußert. Zu seiner Zeit hätte das auch sein Todesurteil sein können. Heute können wir unsere Meinung ohne Repressalien erleiden zu müssen frei äußern. Die Meinungsfreiheit ist fest im Artikel 5 unseres Grundgesetzes als Grundrecht verankert. Trotzdem gilt für das menschliche Zusammenleben auch schon zu Luthers Zeiten der zu späteren Zeiten u.a. von Immanuel Kant formulierte Gedanke: „Die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt“.

3. Bürgermeister Thomas Nowak