Max Schamberger – In der Erinnerung der Familie

Solange Steine hielten … Schon der Steinmetz hat allen Grund, an dem Ewigkeitswert seines Werks zu zweifeln. Er schreibt nach Seidmannsdorf: „Der Franzmann schießt abwechselnd noch hin. Wollen wir hoffen, dass dem Grabstein weiter nichts passiert.“

Er soll mit seinen Bedenken Recht behalten. Im Laufe der kommenden Jahre zieht die Kampfeswalze über Stellungen, die unbedingt gehalten werden müssen, hinweg. Wieder und wieder wird der Boden von Geschossen durchpflügt.

Die kleine deutsche Gräberstätte im Argonnenwald – was geschieht mit ihr?

1919, als der Geschützdonner an den ehemaligen Kampflinien verhallt ist, wendet sich Bruder Albert im Namen seiner Eltern an die Organisation, die sich kurz zuvor zur Betreuung von Kriegsgräberstätten im Ausland gegründet hat, an den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge. Er erkundigt sich, wie man Maxs letzte Ruhestätte in Ehren halten könne und ob ein Besuch dort möglich sei. Da erfährt die Familie zu ihrem Schrecken, dass die Grabstätte des Bruders nicht mehr bekannt sei.

Die Franzosen und auch die Belgier, auf deren Boden nicht nur die eigenen Söhne in Massen gefallen waren sondern auch ihre Verbündeten und die deutschen Invasoren, gruben nach dem Krieg die Leichen der Deutschen aus den verstreut liegenden Grabstätten aus und setzten sie in einfachen Massengräbern an abgelegenen Orten bei, teilt der Volksbund mit. Dies dürfte auch das Schicksal von Max Schambergers sterblichen Überresten gewesen sein, schreibt er dem Bruder:

„Er ist vermutlich in einem Gemeinschaftsgrab auf dem Sammelfriedhof Servon-Melzicourt beerdigt worden. Hier wurden unter anderen die während der Kämpfe im Argonnerwald im Jahr 1915 beigesetzten oder beim Aufräumen der dortigen Kampfgebiete gefundenen Toten beigesetzt. Auf dem Friedhof befinden sich 10 417 Gefallene. In drei Gemeinschaftsgräbern sind 6093 unbekannte Soldaten beerdigt, darunter vermutlich Unteroffz. Dr. Max Schamberger.“

Die Vorstellung, dass ihre Söhne, Väter und Brüder, teils sogar namenlos, in fremder Erde ruhen, ist für die Zurückgebliebenen in der Heimat schwer erträglich. Das Herzogtum Coburg betrauert zu Kriegsende nicht weniger als 3000 tote und vermisste „Heldensöhne“. Die meisten stammen aus der Stadt Coburg, aber jedes Dorf, selbst das kleinste, hatte einen „Blutzoll“ geleistet.

Es sind nun die Kirchen, die sich als Stätten zur Ehrung der Kriegstoten anbieten. In vielen Gotteshäusern des Coburger Landes werden Ehrentafeln mit den Namen der Gefallenen aufgestellt. Auch aus dem gotischen Kirchlein mit dem hoch aufragenden Turm in Seidmannsdorf ist eine solche Tafel aus Bronze überliefert. Sie trägt die Namen der Gefallenen aus den Dörfern rundum, darunter den von Max Schamberger. Wie eine Mahnung aus dem Jenseits liest sich die Inschrift darunter: „Was taten wir für Euch, was tut Ihr für uns?“

Einige Jahre später verlässt das Gedenken der Kriegstoten das Kircheninnere, wird öffentlich gemacht. In Coburg graviert man die Namen der Gefallenen „Den Toten zum Gedächtnis, der Nachwelt zum Vermächtnis“ in den Wänden der Arkaden auf dem Schlossplatz ein. Die meisten Dörfer und Städte errichten in ihrer Mitte oder in der Nähe der Friedhöfe Heldengedenkstätten, so auch Seidmannsdorf. Unter den Namen der 13 Toten des 1. Weltkriegs aus dem Dorf findet sich auch der Maxs mit seinen Sterbedaten.

Albert war bemüht, durch viele Besuche mit seiner Familie den Eltern in Seidmannsdorf den gefallenen Sohn zu ersetzen. Seinem im letzten Kriegsjahr, 1918, geborenen Sohn, gab er den Namen des gefallenen Bruders. Er musste allein mit dem Verlust seines lieben und vertrauten brüderlichen Weggefährten fertigwerden. Den Familienaufzeichnungen vertraute er seine Überzeugung an, dass mit dem älteren Bruder der „charakterlich wertvollere gegangen war“. Er schrieb:

Der Friedhof Servon-Melzicourt im Departement Marne liegt in einem stark steigenden Gelände. Im Hintergrunde liegen drei übermannshohe Sammelgräber. Je zwei Grabbeete, in denen die Toten Kopf an Kopf ruhen, sind in einem großen Grabbeet zusammengefaßt.

Da liegt mein Max.

Maxs Vater August Schamberger kam über den Tod seines ältesten Sohns nie hinweg. Er verfiel körperlich und starb 1931, neun Jahre, bevor wieder eine Todesnachricht über einen Max Schamberger nach Seidmannsdorf drang: Im Alter von 22 Jahren war der Enkel 1940 ebenfalls in Frankreich bei seinem ersten Gefecht gefallen.