6. November 1932: Reichstagswahlen

Im November 1932 fand die insgesamt fünfte Wahl des Jahres 1932 statt. Erneut wurde der Reichstag gewählt. Der Wahlkampf fiel diesmal etwas bescheidener aus als die vorhergehenden. Denn nach vier Wahlkämpfen hatten die Parteien kaum noch finanzielle Mittel, um einen exzessiven Wahlkampf zu führen. Die NSDAP warf deshalb ihre stärkste Waffe in den Coburger Wahlkampf, nämlich Adolf Hitler selbst. Dieser kam im Oktober in die Stadt, um zum einen das zehnjährige Jubiläum des „Zuges nach Coburg“ auf dem „3. Deutschen Tag“ von 1922 zu feiern und zum anderen Wahlkampf für sich und seine Partei zu machen. Die Forderungen der NSDAP waren dabei dieselben wie bei den Wahlen zuvor. Man wollte die Weimarer Republik beseitigen und durch ein nationalsozialistisches Herrschaftssystem ersetzen.[1]

Der Wahlkampf der anderen Parteien wurde sehr stark von den Nationalsozialisten behindert. So war es zum Beispiel nur der NSDAP von der Stadt Coburg gestattet worden, Plakate anzuschlagen. Der größte Gegner der Nationalsozialisten war die SPD. Diese versuchte, in ihrem Wahlkampf vor den Republikfeinden zu warnen und sich gegen deren Vorwurf zu wehren, das wirtschaftliche Elend der letzten Jahre sei allein die Schuld der Sozialdemokratie.[2]

Die Wahlen am 6. November 1932 brachten folgendes Ergebnis[3]:

KPD SPD Deutsche Staatspartei BVP DVP DNVP NSDAP Sonstige
Coburg insgesamt

Stimmen

%

3.756

8,19

12.333

26,90

210

0,46

783

1,71

342

0,75

4.467

9,74

23.154

50,50

771

1,68

Stadt Coburg

Stimmen

%

961

5,91

3.579

22,02

155

0,95

508

3,13

212

1,30

2.261

13,91

8.349

51,38

226

1,39

Bezirksamt Coburg

Stimmen

%

1.835

8,09

6.499

28,65

38

0,17

250

1,10

48

0,21

1.926

8,49

11.628

51,27

421

1,86

Stadt Neustadt b. Coburg

Stimmen

%

750

14,22

1.664

31,56

12

0,23

19

0,36

69

1,31

128

2,43

2.526

47,90

105

1,99

Stadt Rodach

Stimmen

%

210

12,75

591

35,88

5

0,30

6

0,36

13

0,79

152

9,23

651

39,53

19

1,15

Reich

Stimmen

%

5.980.239

16,86

7.247.901

20,43

336.447

0,95

1.094.597

3,09

660.889

1,86

2.959.053

8,34

11.737.021

33,09

5.454.641

15,38

Wahlberechtigte Abgegebene Stimmen Gültige Stimmen Wahlbeteiligung in %
Coburg 54.525 46.296 45.852 84,91
Reich 44.374.085 35.758.259 35.470.788 80,58

Erklärungen zur Tabelle:

KPD = Kommunistische Partei Deutschlands

SPD = Sozialdemokratische Partei Deutschlands

BVP = Bayerische Volkspartei

DNVP = Deutschnationale Volkspartei

DVP = Deutsche Volkspartei

NSDAP = Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei

Anmerkung: Unter die Sonstigen fällt in dieser Tabelle das Zentrum, da es in Coburg nicht antrat. Da die Partei aber im restlichen Deutschland rund 4,2 Millionen Stimmen holte, ist der Wert der sonstigen Parteien in der Tabelle so hoch.

(Dass bei den dargestellten Ergebnissen der Reichstagswahl die Anzahl der gültigen Stimmen aus der ersten Tabelle nicht mit der Gesamtzahl der gültigen Stimmen aus der zweiten Tabelle übereinstimmt und auch die Prozentangaben bei den Ergebnissen für das Reich zusammenaddiert nicht 100 % ergeben hängt damit zusammen, dass nicht alle Parteien in Coburg zur Wahl standen. In der ersten Tabelle fanden nur Parteien Berücksichtigung, die in Coburg kandidiert hatten.)

Die Reichstagswahl vom 6. November 1932 brachte in Coburg nur geringfügige Veränderungen in Bezug auf die Reichstagswahl vom 31. Juli desselben Jahres. Die größten Verluste musste die NSDAP hinnehmen. Sie verlor in Coburg insgesamt rund 5 % der Stimmen. Geschadet mochte ihr haben: Ihre Propaganda gegen von Papen bzw. die „Reaktion“ sowie ihre zeitweisen Verhandlungen mit dem Zentrum. Trotz dieser Verluste war die NSDAP in Coburg aber mit weitem Abstand stärkste Partei geworden. Nur in Rodach konnte sie sich nur knapp vor der SPD behaupten. Abgesehen von dieser Ausnahme, war die Coburger Wählerschaft auch weiterhin antisemitisch und nationalistisch geprägt. [4] Da die NSDAP ihre Wahlerfolge bei freien Wahlen während der Weimarer Zeit erzielte und sie spätestens seit 1929 keinen Zweifel über ihre Ziele sowie über die Art, diese umzusetzen, aufkommen ließ, konnten die Coburger das nach 1945 oft gehörte Argument „Das haben wir nicht gewusst oder gewollt!“ nicht für sich in Anspruch nehmen.

Die Gewinner der Wahl waren DNVP und KPD. Der Zuwachs an Stimmen für die DNVP resultierte wohl bezeichnenderweise aus enttäuschten NSDAP-Wählern. Diese waren mit Hitlers „Alles-oder-Nichts-Kurs“, also dem unbedingten Streben nach der Reichskanzlerschaft, nicht einverstanden. Sie fühlten sich von der NSDAP nicht richtig repräsentiert. Die Zugewinne der KPD beruhten darauf, dass einige Wähler der Meinung waren, dass man der Krisensituation nur mit der Stärkung der extremen Linken entgegenwirken könne. Eines hatte die Wahl auch in Coburg gezeigt. Der Nimbus des unaufhaltsamen Aufstiegs der NSDAP war gebrochen. Angemerkt sei schließlich, dass das Verhältnis zwischen DNVP, die den Aufstieg der Nationalsozialisten erst möglich gemacht hatte, und der NSDAP nach der Wahl zunehmend schlechter wurde. Mitte Januar 1933 spielte die DNVP, nachdem sie alle eigenen Machtpositionen verloren bzw. selbst geräumt hatte, ihrerseits mit dem Gedanken eines Volksentscheides zur Stadtratsauflösung. Ihre Einsicht kam allerdings zu spät.


[1] Keller, Gunther: Coburg und die Weimarer Republik. Der Staat von Weimar im Spiegel der Coburger Wahlen von 1918 bis 1933. Unveröffentlichte Zulassungsarbeit zur ersten Prüfung für das Lehramt an Volksschulen an der Universität Bayreuth. Bayreuth 1981. S. 161ff.

[2] Ebenda, S. 164f.

[3] Zahlen nach: Statistisches Reichsamt (Hrsg.): Statistik des Deutschen Reiches. Band 434. Die Wahlen zum Reichstag am 31. Juli 1932 und am 6. November 1932 und am 5. März 1933 (Sechste bis achte Wahlperiode). Berlin 1935.

[4] „Voraus zur Unzeit“. Coburg und der Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland. Katalog zur Ausstellung der Initiative Stadtmuseum Coburg e. V. und des Stadtarchivs Coburg im Staatsarchiv Coburg. 16. Mai bis 8. August 2004. Coburg 2004. (= Coburger Stadtgeschichte. Band 2). S. 18f.;Keller: Coburg und die Weimarer Republik. S. 166.