29./30. November 1930: Angriff auf einen SPD-Lkw

In der Nacht vom 29. auf den 30. November 1930 überfiel eine Gruppe von Nationalsozialisten eine mit SPD-Anhängern besetzte Lastwagenkolonne. Diese war nach einer Veranstaltung der Partei in Coburg auf dem Weg nach Neustadt b. Coburg. Auf der Staatsstraße zwischen den beiden Städten wurden die Lkws mit Flaschen und Steinen beworfen. Dabei wurde der Fahrer des letzten Wagens am Kopf getroffen. Dieser verlor daraufhin die Kontrolle über sein Fahrzeug und stürzte mit diesem eine etwa drei Meter hohe Böschung hinunter, wobei sich der Lkw mehrmals überschlug. Von den 40 Insassen wurden zwei schwer und 14 leicht verletzt.[1]

Die Coburger Polizei nahm daraufhin vier Nationalsozialisten als Tatverdächtige fest. Gerichtlich verantworten mussten sich schließlich 22 Personen, von denen 14 zu Haftstrafen zwischen drei und acht Monaten verurteilt wurden.[2] Die geringen Strafen wurden damit begründet, dass die Angeklagten das Auto nur stoppen wollten, um die Insassen zu verprügeln (ein Strafmilderungsgrund). Ein heimtückischer Anschlag läge deswegen nicht vor. Des Weiteren wurde den Angeklagten ihre „verständliche Erregung“ zugutegehalten. Die dem Gericht so verständliche Erregung resultierte nicht daraus, was auf der SPD-Veranstaltung gesagt wurde, sondern daraus, dass überhaupt eine solche Versammlung stattfand.[3]

Dass es aber überhaupt zu einer Verurteilung der nationalsozialistischen Attentäter kam, war dem harten Durchgreifen von Coburgs Polizeidirektor Wilhelm Janzen zu verdanken. Dieses sollte ihm später, als die Nationalsozialisten die Macht in Coburg erlangt hatten, zum Verhängnis werden. Wegen seiner damaligen Ermittlungen gegen die Hitleranhänger und dem Ignorieren der Beschwerden dagegen von Coburgs NSDAP-Führer Franz Schwede wurde Janzen im Januar 1931 als „Racheakt“ durch einen Stadtratsbeschluss seines Amtes enthoben. Sein Nachfolger wurde der nationalsozialistische Polizeiinspektor Scheel.[4]


[1] „Voraus zur Unzeit“. Coburg und der Aufstieg des Nationalsozialismus in Deutschland. Katalog zur Ausstellung der Initiative Stadtmuseum Coburg e. V. und des Stadtarchivs Coburg im Staatsarchiv Coburg. 16. Mai bis 8. August 2004. Coburg 2004. (= Coburger Stadtgeschichte. Band 2). S. 87; Albrecht, Joachim: Die Avantgarde des „Dritten Reiches“. Die Coburger NSDAP während der Weimarer Republik 1922-1933. Frankfurt/Main 2005. (= Europäische Hochschulschriften. Reihe II. Geschichte und ihre Hilfswissenschaften. Band 1008). S. 128, 134; Asmalsky, Ludwig: Der Nationalsozialismus und die NSDAP in Coburg 1922-1933. Unveröffentlichte Zulassungsarbeit zur Prüfung für das Lehramt an den Gymnasien in Bayern an der Universität Würzburg. Würzburg 1969. S. 23.

[2] Albrecht: Die Avantgarde des „Dritten Reiches“. S. 134; Asmalsky: Der Nationalsozialismus und die NSDAP in Coburg 1922-1933. S. 23.

[3] Ebenda, S. 23f. Siehe auch: Coburger Zeitung v. 3. Januar 1931.

[4] Albrecht: Die Avantgarde des „Dritten Reiches“. S. 135;„Voraus zur Unzeit“. S. 17.