Die Jugendzeit

Mit der Zeit wurden wir älter und spielten dann Soldaten, Vorbilder hatten wir durch die Nähe zur Kaserne ja zur Genüge. Da der Truppenübungsplatz direkt vor der Kaserne war, hielten wir uns in dieser Zeit sehr oft dort auf. Wir schauten zu, wie die Rekruten sich eingraben mussten und dann sind Panzer über sie hinweg gefahren. Manchmal hat sich ein Panzer auch direkt auf dem Loch gedreht, das muss für die sehr jungen Menschen die Hölle gewesen sein.

Seit März 1939 war es Pflicht für alle Jungen und Mädchen ab 10 Jahren an den Aktivitäten der Hitlerjugend (HJ) oder ihrer Vorstufe, dem Jungvolk, teilzunehmen. Im Allgemeinen fanden wir es auch spannend, die Uniform tragen zu dürfen, und wir fühlten uns in der Gemeinschaft sehr wohl. Zum ersten Mal in unserm Leben hatten wir Jungen lange Hosen, sie waren Bestandteil der Uniform, so genannte Überfallhosen. Beim Jungvolk wurde viel Sport getrieben, Lagerfeuer angezündet, gesungen und marschiert. Es entstand ein Gruppengefühl und jeder fühlte sich dazugehörig. Vor allem Zeltlager und Geländespiele begeisterten uns. Bei Geländespielen musste ein Zug, so nannte man eine Gruppe von zirka 25-30 Jungen oder ein Fähnlein, eine Anhöhe gegen die Angreifer verteidigen, wobei nur Ringkampf erlaubt war. Bei uns war das meist die Veste Coburg oder der Fürwitz.

1943 wurde unsere Schule in ein Lazarett umgewandelt, wir mussten die Schule räumen. Dabei mussten wir mithelfen, die Bänke, Tische und Sonstiges in andere Schulen zu fahren oder auf dem Boden der Schule zu verstauen.
Die Klassen wurden auf andere Schulen verteilt, wobei die Klassen auch geteilt wurden, wegen der Größe der Räumlichkeiten. Einige Zeit später, als auch andere Schulen noch gebraucht wurden um Flüchtlinge vorübergehend unterzubringen, wurde der Unterricht in Gaststätten oder sonstige freie Räume verlegt. Dies war sehr unangenehm, denn die Gaststätten hatten kaum Brennmaterial. Um nicht zu frieren, mussten wir Briketts oder Holz mitbringen, um die Räume wenigstens einigermaßen zu heizen. Oft saßen wir auch mit Handschuhen und Jacken im Raum.
Später fand auch kein regelmäßiger Unterricht mehr statt, er wurde immer öfter vom Fliegeralarm beendet. Für uns Kinder war das am Anfang noch nicht so dramatisch, im Gegenteil wir warteten schon immer auf die Sirenen, da mussten wir in die Bunker und anschließend durften wir nach Hause.

Heilkräuter wie Kamille, Lindenblüten oder Kartoffelkäfer und ihre Larven auf den Feldern zu sammeln, wurde zur Hausaufgabe. Jeden Montag, nach Bedarf auch an weiteren Tagen, wurden Schulklassen zum Ablesen der Kartoffelkäfer auf die Felder geschickt. Die fetten, roten Larven des Käfers hinterließen an den Fingern einen gelblichen Belag, der nur schwer abzuwaschen war. Damals kursierte das Gerücht, dass die Kartoffelkäfer von den Amerikanern abgeworfen wurden, um die Ernte zu vernichten.

Im September 1944 gab es einen Erlass, dass alle Männer im Alter von 16-60 zum Volkssturm einberufen werden können. Zum Glück waren wir dazu noch zu jung, aber ich kenne einige sehr junge Männer, die das nicht überlebt haben.
Die Frauen mussten immer mehr die Aufgaben der Männer übernehmen und in den Betrieben arbeiten oder Heimarbeit machen. Vom Luftschutzwart wurden wir aufgefordert, bei Einbruch der Dunkelheit alle Fenster mit Decken zu verdunkeln. Alle Straßenlaternen wurden abends ausgeschaltet, es herrschte eine gespenstische Atmosphäre.
Es war auch die Zeit, in der in Coburg immer öfters Fliegeralarm war, aber man hörte im Radio immer nur von den Erfolgen, der tapferen deutschen Soldaten.

Riesige Bulks von weit über hundert Flugzeugen überflogen Coburg fast täglich, um dann ihre Bomben auf Leipzig, Dresden oder Berlin fallen zu lassen. Vom Himmel regnete es Staniolstreifen, die wir sammeln und abliefern mussten.
Wir hatten immer Angst, dass die auch in Coburg auf den Häusern stehenden Flakgeschütze einmal so einen Bulk beschießen würden. Zum Glück haben sie es nicht getan, sonst wäre sicher über Coburg ein Bombenteppich herabgefallen und es hätte viele Tode gegeben.