Coburg und seine Polizei – Zeit des Nationalsozialismus

Von Hans-Jürgen Schmidt, Helmut Götz und Wolfgang Schneider, Coburg

Die Gebrüder Schlag Abbildungen stammen aus Privatbesitz (Helmut Götz, Manfred Schäffner, Jürgen Zesewitz, G. Eckerlein).

Im Sommer 1932 feierte die NSDAP in Coburg die 10. Wiederkehr der ersten Hitler-Rede in dieser Stadt. Die Feier wurde durch Linksradikale erheblich gestört und es kam auf dem Marktplatz zu schweren Zusammenstößen beider Gruppierungen. Der Platz musste mehrmals durch aus Nürnberg zur Unterstützung herbeigerufene Hundertschaften geräumt werden. Diese wurden mit Pfui-Rufen und den allerorts üblichen Schmährufen „Noske-Hunde“, „Stützel-Kosaken“ oder „Faulhaber-Garde“ empfangen. Stützel war der damalige bayerische Innenminister, Faulhaber der Erzbischof von München.

Am 15. Oktober 1933 wurde das Coburger Kommando der Bayerischen Landespolizei aufgelöst, in das Kommando Regensburg und 1935 schließlich in die Wehrmacht übernommen.

Coburg galt seit 1929, als die NSDAP hier zum ersten Male die absolute Mehrheit im Stadtrat einer deutschen Stadt errang, als Hochburg und „Stadt der Bewegung“. Hier sollte unter anderem nach einem siegreichen Weltkrieg das Reichsehrenmal gebaut werden. Aus dieser dunklen Zeit der Geschichte sind bis zum heutigen Tag erstaunlich viele Unterlagen sowei Bildmaterial nicht auffindbar und Zeitzeugen nur sehr begrenzt zu Aussagen bereit. 1933 verrichteten 32 Beamte Dienst in der Stadtpolizei Coburg. Auch in Coburg kam es zum Aufbau der so genannten „Hilfspolizei“, die aus Angehörigen der SA, zum geringeren Teil aus angehörigen der SS und des Stahlhelms bestand. Diese Hilfspolizei stand unter der Führung von Polizeioffizieren und hatte während der Dauer ihres Dienstes Polizeibefugnisse. Sie unterhielt private Gefängnisse, so genannte „Heldenkeller“, in denen die Festgenommenen überwiegend brutalen Misshandlungen ausgesetzt waren. Dies gilt nachweisbar auch für Coburg (vgl. Carl-Christian H. Dressel, Anmerkungen zur Justiz in Coburg von der Errichtung des Landgerichts Coburg bis zur Entnazifizierung, Jahrb.Cob.Ld.Stiftung, Dezember 1997)

Im April 1937 trat eine Trennung von Vollzugspolizei und Verwaltung in Kraft. Die Verwaltungspolizei (Gewerbe-, Pass-, Fischereipolizei etc.) wurde aus dem Aufgabenbereich der Polizei ausgegliedert und in den Bereich der inneren Verwaltung überführt. Durch den so genannten „Hitler-Erlaß“ vom 17. Juni 1937 wurde auch die gesamte staatliche Polizei Bayerns „verreichlicht“, durch Verordnung vom 18. Mai 1949 verloren auch die formell noch selbständigen Gemeindepolizeien ihre letzten Befugnisse.

Franz Schwede, 1. nationalsozialistischer Bürgermeister von Coburg und späterer Gauleiter von Pommern schreibt in seinen 1939/1941 im Zentralverlag des NSDAP erschienenen Erinnerungen „Kampf um Coburg“, im Kapitel „Festigung der Macht“, S. 200 “ In der Zwischenzeit haben wir die städtische Polizei so ungefähr „gleichgeschaltet“, da nach der bayer. Gemeindeordnung der Bürgermeister die Polizeigewalt hat. Diese Polizeigewalt in den Händen der Nazis, noch bei einer Polizei, deren Leiter und deren Angehörige meist Mitglieder der NSDAP sind „. Dieser Zugriff auf die Behörden der „Inneren Sicherheit“, insbesondere aller Sparten der deutschen Polizei, ihr organisatorischer Mißbrauch als Machterhaltungs- und Unterdrückungsorgan des NS-Staates unter dem Vorwand der staatlichen Vorsorge und Sicherung der öffentlichten Sicherheit und Ordnung fand ihren Höhepunkt in einem Runderlaß vom 17.06. 1936 , mit dem der „Reichsführer SS“ zugleich „Chef der Deutschen Polizei im Reichinnenministerium wurde.“ Sie führte zu einer grausamen mißbräuchlichen Überschreitung humaner Rechtsgrenzen, sie endete in der Perverttierung der gefahrenabwehr und verbrechensbekämpfung.“ (Peter Nitsche.“ Die Deutsche Polizei und ihre Geschichte“, Schriftenreihe der deutschen ges. f. Polizeigeschichte ,Band 2). Dieses Phänomen des ideologisch verbrämten Machtmissbrauchs der Polizeien ist jedoch nicht nur ein Kennzeichen der Diktatur des 3. Reiches und des Nationalsozialismus gewesen, sie war ebenso ausgeprägt in der kommunistischen Diktaturen der Sowjetunion und des gesamten Ostblocks. Mit welcher Brachialgewalt „zum Wohle der Arbeiter und Bauernmacht“ in der von der Sowjetarmee „befreiten“ vormaligen DDR die neu formierten Polizeiorgane der Diktatur des Proletariats unter dem Führungsanspruch der kommunistischen Partei Deutschlands, dann SED, als staatstragende Organe neu organisiert wurden,kann man in den beiden Bänden der „Geschichte der Deutschen Volkspolizei“, herausgegeben vom Ministerium des Innern der DDR1986/88 ,nachlesen. „Die Anstrengungen der Leitungen der KPD und der anderen antifaschistischen-demokratischen Kräfte führten dazu, daß bereits im Sommer 1945 etwa 80% der Polizeiangehörigen in der gesamten sowj. Besatzungszone ihrer sozialen Herkunft nach Arbeiter und werktätige Bauern waren.“Band 1 ,Kap1 „Der Aufbau einer neuen volksverbundenen Polizei zu Beginn der antifaschistisch demokratischen Umwälzung.“

Als am 11. April 1945 die amerikanischen Streitkräfte mit ihrer 11. Panzerdivision und der 71. Infanteriedivision des XII. Corps der 3. US-Armee aus Richtung Hildburghausen/Rodach und Suhl/Eisfeld/Lautertal über die Langen Berge nach Coburg vorstießen und es ohne größere Kampfhandlungen besetzten, erwarb sich der damalige Leiter des Polizeiamtes Coburg, Polizeihauptmann Hans Gerber, zusammen mit dem Stadtamtmann und späteren Oberbürgermeister, Alfred Sauerteig, ebenso große Verdienste um den Schutz von Stadt und Bevölkerung von Beschuss und Zerstörung wie die um damaligen Zeitpunkt in Coburg verantwortlichen Wehrmachtsoffiziere, Hauptmann Sotte und die Oberleutnante Müller, Maurer und Steigenberger.

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Info: EPHK a.D. Hans-Jürgen Schmidt, Jg. 1937, gehörte von 1956 bis 1997 dem Bundesgrenzschutz an und war langjähriger Einsatz und Ausbildungshundertschaftsführer.

Helmut Götz, Jg. 1934, trat 1953 in die Bayerische Bereitschaftspolizei ein und versah danach Dienst als Stationsbeamter der Bayerischen Landpolizei. Ab 1958 gehörte er der Stadtpolizei Coburg an, zuletzt als Leiter der Schutzpolizei. Von 1972 bis zu seinem Ruhestand 1994 leitete er die Station Coburg-Stadt der Bayerischen Landespolizei.

PHK a.D. Wolfgang Schneider, Jg. 1947, versah von 1968 bis 1999 Dienst im Bundesgrenzschutz.